Quoten sind besser als ihr Ruf

Margit Osterloh, Universitäten Zürich und Basel

Der Deutsche Bundestag hat jüngst beschlossen, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen künftig mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss. Für Aufsichtsräte gilt schon seit 2016 eine verbindliche Quote von 30 Prozent.

Quoten haben jedoch einen schlechten Ruf. Es wird befürchtet, dass sie die Qualität von Führungspersonen reduzieren könnten. Frauen wollen nicht als „Quotenfrauen“ gelten, Männer könnten sich benachteiligt oder diskriminiert fühlen.

Quoten haben aber Vorteile, die selten diskutiert werden: Empirische Befunde haben gezeigt, dass die formale Qualifikation der unter Quotenbedingungen berufenen Frauen höher ist als die der Männer. Mehr noch: Die Quote hat bewirkt, dass auch die formale Qualifikation der Männer gestiegen ist (Besley et al., 2017).

Dem Argument, dass „Quotenfrauen“ unqualifiziert seien, muss entgegenhalten werden, dass die Leistung von Frauen häufig unterschätzt wird. Zwar ist generell eine verlässliche Leistungsmessung schwierig: Kahneman, Sibony und Sunstein (2021) zeigen, dass Experten auf ein und derselben Faktengrundlage mitunter völlig unterschiedliche Entscheidungen fällen. Das Ergebnis gleicht oft einer Lotterie. Glück und Zufall sind auch sonst die großen Unbekannten der Leistungsmessung (Frank 2016). Hinzu kommt, dass die meisten erfolgreichen Männer dazu neigen, ihren Erfolg eigenem Verdienst zuzurechnen und den Zufall zu unterschlagen. Sie profitieren zudem eine ganze Weile von Matthäus-Effekten („Wer hat, dem wird gegeben“). Aber Frauen haben bei der Zuschreibung von Erfolgen besonders schlechte Karten: Viele empirische Studien weisen aus, dass ihre Leistungen ungünstiger als die von Männern bewertet werden, sei dies als Managerin, Ingenieurin oder Musikerin. So wurde gezeigt, dass bei der Besetzung von Symphonieorchestern Männer solange bevorzugt wurden, bis die Kandidatinnen und Kandidaten anonym hinter einem Vorhang vorspielten (Goldin & Rouse 2000).

Die ungünstige Bewertung der Leistung von Frauen mag der Grund dafür sein, dass sich längst nicht genug Kandidatinnen für Führungspositionen bewerben, wie Headhunter häufig klagen. Eine Quote kann Abhilfe schaffen: In Laborexperimenten hat sich gezeigt, dass sich bei Vorliegen einer Reißverschluss-Quote (d.h. wenn in einem Wettbewerb jeweils ein Mann und eine Frau die Gewinner sind) die Bewerbungen der besonders leistungsfähigen Frauen im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren fast verdoppeln (Niederle, Segal & Vesterlund, 2013). Ein noch besseres Ergebnis zeigen fokussierte Losverfahren, die eine effiziente, aber weitaus umstrittenere Alternative zu Quoten darstellen (Berger, Osterloh & Rost 2020). Der riesige Pool an teuer ausgebildeten und hochqualifizierten Frauen würde mit solchen Verfahren endlich besser ausgenutzt.

Ich würde mir wünschen, dass meine Argumentation dazu führt, dass Quoten im Wege der Selbstverpflichtung auch dort realisiert werden, wo sie nicht gesetzlich verpflichtend sind.

Margit Osterloh, Universitäten Zürich und Basel

Quellenangaben:

Berger, J., Osterloh, M. und Rost, K. (2020). Focal random selection reduces the impact of gender differences in competitiveness. Science Advances.

Besley, T., Folke, O., Persson, T., & Rickne, J. 2017). Gender quotas and the crisis of the mediocre man: Theory and evidence from Sweden. American Economic Review, 107(8), 2204–2242.

Frank, R. H. (2016). Success and Luck. Good Fortune and the Myth of Meritocracy. Princeton University Press: Princeton

Goldin, C./Rouse, C. (2000). Orchestrating impartiality: The impact of ‘blind’ auditions on female musicians. American Economic Review, vol. 90, issue 4, pp. 715–741.

Kahnemann, D., Sibony, O. & Sunnstein, C.R. (2021). Noise. Wie unsere Entscheidungen verzerrt und wie wir sie verbessern können. München (Siedler).

Niederle, M., Segal, C., & Vesterlund, L. (2013). How costly is diversity? Affirmative action in light of gender differences in competitiveness. Management Science,59(1), 1–16.