Personennahe Dienstleistungen in der Digitalen Transformation

Susanne Robra-Bissantz, Technische Universität Braunschweig

Jedes Unternehmen sollte sein Angebot als Personennahe Dienstleistung gestalten, um auf heutigen Märkten zu bestehen. Denn Digitalisierung ermöglicht Personennahe Dienstleistungen. Und jeder Akteur, ob betrieblich oder privat, ist in seiner Rolle als Kunde oder Kundin mit Personennahen Dienstleistungen am besten bedient.

Was ändert sich, wenn Märkte digital werden? Während Informatikerinnen und Informatiker z. B. die Rolle des Internet of Things diskutieren, ändert sich für Unternehmen vor allem eines: Kundinnen und Kunden fordern aktiv und auf Knopfdruck ein Angebot, das möglichst gut zu ihrer Problemlage passt. Dabei sind statt Produkten individuelle Dienstleistungen gefragt, wenn z. B. Lieferdienste für Mahlzeiten oder Kochboxen den Lebensmittelkauf ersetzen.

Die Community Service for Good aus der Wirtschaftsinformatik schlägt daher Personennahe Dienstleistungen (PDL) mit ihrer Ausrichtung am Wohlergehen von Menschen („for good“), als Gestaltungsparadigma für nachhaltig („for good“) erfolgreiche Angebote auf digitalen Märkten vor.

Informationstechnologie ermöglicht diese Dienstleistungen, indem sie gleichberechtigt unterschiedliche (private) Partnerinnen und Partner zur Kommunikation und Kooperation vernetzt, über Sensorik und Datensammlung auf Kundenbedarfe schließt, mit künstlicher Intelligenz perfekte Angebote zusammenstellt oder eigenständig, mit Chatbots, den Kundendialog übernimmt.

Vor dem Einsatz von Technologien geht es jedoch darum, dass Unternehmen ihr Angebot gemäß der Logik digitaler Märkte passgenau für Kundinnen und Kunden gestalten.

PDL beschreiben hierzu das Angebot jedes Unternehmens als Dienstleistung mit dem Ziel, Menschen dabei zu helfen ihr Leben zu verbessern. Damit ist kein Produkt an sich wertvoll, sondern es zählt der Value in Use – der Wert, den Kundinnen und Kunden sich zur Lösung individueller Probleme versprechen. So ist der Wert eines Autos für Lara die individuelle, bequeme Mobilität. Diesen kann sie sich heute auch durch Carsharing, geliehene Elektro-Roller oder viele weitere Angebote schaffen.

Es lohnt sich daher für Unternehmen, über den Value in Use nachzudenken. Denn die Schaffung von Werten hängt von Kundinnen und Kunden ab, die aktiv und häufig spontan über Smartphones entscheiden, wer ihnen dabei hilft. Entsprechend umfasst die Gestaltung von PDL auch Interaktionen. Sie begleiten Kundinnen und Kunden in möglichst ununterbrochenen Gesprächen von Inspiration, Beratung und Angebotsanpassung bis bestenfalls zum nächsten Problem. Der entstehende Value in Interaction entscheidet über gegenseitiges Vertrauen und langfristige Beziehungen. Dabei ermöglichen Websites oder Apps es heute, viele Kundinnen und Kunden automatisiert und trotzdem empathisch und kooperativ zu bedienen.

PDL auf digitalen Märkten sind eingebunden in Service-Ökosysteme mit vielen Partnern. Alle agieren als Kundinnen und Kunden oder Anbieterinnen und Anbieter, indem sie Fähigkeiten sowie Ressourcen wie Geld, Produkte, Daten oder Reputation geben und für die eigene Wertschaffung erhalten. Die Gestaltung von PDL geht damit über das eigene Angebot hinaus und betrachtet Netzwerke, die gegenseitig Services erbringen. So wird z. B. eine Plattform in der Nachbarschaftshilfe selten mit der Vermittlungsleistung ausreichend Erlöse erzielen. Potenziell jedoch ist eine Wohnungsbaugesellschaft bereit für die Dienstleistung zu bezahlen, da sie ihr wertvolle Reputation verspricht.

Das Denken in PDL erscheint zunächst einfach. Konsequent angewandt jedoch, eröffnet es neue Gestaltungsobjekte – vom Wert für Kundinnen und Kunden über Interaktionen bis zum Service-Ökosystem, und Gestaltungsoptionen – von der individuellen Anpassung für und die Integration von Kundinnen und Kunden bis zu besseren Beziehungen vieler Akteure. Und das gilt auch im B2B-Geschäft, wenn Unternehmen jeweils die beste Problemlösung für sich sowie letztlich für Menschen suchen.

Susanne Robra-Bissantz, Technische Universität Braunschweig

Quellenangaben:

Robra-Bissantz, S., Lux, A.M. & Lattemann, Ch. Service for Good. Informatik Spektrum(2021). https://doi.org/10.1007/s00287-021-01383-7

Robra-Bissantz, S., Lux, A.M., Lattemann, Ch., Ziegler, Ch.: Gestaltung personennaher Dienstleistungen in der digitalen Transformation. In: Schulz, Th. (Hrsg.): Industrie 4.0 – Wertschöpfungssysteme mit digitalen Dienstleistungen etablieren. Beuth-Verlag, Berlin, Wien, Zürich 2021, S. 21 – 34.