Marketing Excellence

Die Wachstumsstrategie für das digitale Zeitalter

Sebastian Hohenberg, The University of Texas at Austin (USA)

Der Kunde hat bekanntlich immer recht. In der digitalen Welt von heute jedoch geht es um sehr viel mehr als nur darum, die Kundin bzw. den Kunden bei der Vermarktung ins Auge zu fassen. Neue Studien zeigen, dass sich die Wachstums-Champions aktuell nicht mehr so sehr am Kunden ausrichten, sondern stattdessen eher darauf hinarbeiten, ganze Netzwerksysteme über Industriegrenzen hinweg aufzubauen und ihre Geschäftsmodelle ausgehend vom Endnutzer zu konzipieren. Dieser breitere Wachstumsansatz wird als „Marketing Excellence“ bezeichnet.

Wie können Unternehmen organisch wachsen? Diese Frage steht schon immer im Mittelpunkt des Marketings. Eine klassische Antwort lautet: Durch Marktorientierung, also indem ein Kundennutzen geschaffen wird, der wesentlich größer ausfällt als derjenige, den der Wettbewerb bieten kann (Kohli/Jaworski 1990). Aktuellen Studien zufolge reicht dieser enge Ansatz allerdings nicht mehr aus, um tatsächlich nachhaltiges Wachstum zu erzielen. Vielmehr verfolgen die Wachstums-Champions von heute einen breiteren Ansatz, nämlich „Marketing Excellence“.

Bislang haben zwei zentrale Studien diesen Ansatz untersucht. Während sich Moorman/Day (2016) mit der Definition des Begriffs beschäftigen und auf Basis einer Literatursynthese ein integratives konzeptionelles Modell entwickeln, haben Homburg/Theel/Hohenberg (2020) die ersten empirischen Untersuchungen zu Marketing Excellence durchgeführt. Im Folgenden werden die zentralen Erkenntnisse dieser empirischen Untersuchungen zusammengefasst.

Zunächst haben die Autoren auf Basis einer qualitativen Studie die Komponenten von Marketing Excellence identifiziert. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Wachstums-Champions von heute ihre Geschäftsmodelle vom Endnutzer her konzipieren, auch wenn diese gar nicht ihre direkten Kundinnen und Kunden sind (Endnutzer-Priorität). Die Champions implementieren Wertschöpfung im Sinne von ganzen Ökosystemen, die oftmals Partnerschaften weit über die klassischen Industriegrenzen hinweg beinhalten (Ökosystem-Priorität). Die Komplexität, die dadurch entsteht, bewältigen sie mithilfe von vereinfachten Prozessen, schnellen Entscheidungswegen sowie von Trial-and-Error-Lernen (Agilitäts-Priorität). Abbildung 1 verdeutlicht den Unterschied zwischen Marketing Excellence und den traditionellen Marketingstrategien (wie z.B. Marktorientierung).

Abbildung 1: Marketing Excellence und verwandte Strategiekonzepte
(Quelle: Homburg/Theel/Hohenberg 2020, Journal of Marketing)

Auf Basis dieser Erkenntnisse haben die Autoren eine zweite Studie durchgeführt. Ziel war es zu überprüfen, inwieweit Marketing Excellence tatsächlich Wachstum erzeugen kann und wie sich die Wachstumseffekte von denjenigen durch traditionelle Marketingstrategien unterscheiden. Hierzu wurden 8.317 Aktionärsbriefe von 1.727 Unternehmen gesammelt. Mit Hilfe aktueller Textanalysemethoden haben die Autoren dann aus diesen Daten die Wachstumsstrategien der Unternehmen extrahiert (z.B. Marketing Excellence oder Marktorientierung). Um deren Effekte zu quantifizieren wurden im ersten Schritt Investoren imitiert, die im Jahr 2000 in Aktienportfolios von Unternehmen $100 investiert haben, die entweder eine Marketing-Excellence- oder eine traditionelle Marketingstrategie verfolgt haben. Wie Abbildung 2 zeigt, ist das Investment in ein Marktorientierungs-Portfolio im Jahr 2018 auf $744 gewachsen, das in ein Marketing-Excellence-Portfolio hingegegen auf auf $1.313 – mit dem höchsten Wachstumsschub in den Jahren 2017 und 2018. Im zweiten Schritt wurden Portfolio-Modelle getestet. Diese Analysen zeigen, dass Marketing Excellence tatsächlich Wachstum erzeugt, mit überdurchschnittlichen Renditen von bis zu 8,58%. Da die Marketing-Excellence-Renditen vor allem in den letzten Jahren signifikant höher ausfallen als die von traditionellen Marketingstrategien (z.B. Marktorientierung), kann Marketing Excellence als effektive Wachstumsstragie im digitalen Zeitalter aufgefasst werden.

Abbildung 2: Kumulative Renditen von $100, die in Marketing Excellence oder alternative Portfolios investiert wurden (Quelle: Homburg/Theel/Hohenberg 2020, Journal of Marketing)

Sebastian Hohenberg, The University of Texas at Austin (USA)

Quellenangaben:
Homburg, C., Theel, M., & Hohenberg, S. (2020). Marketing excellence: nature, measurement, and investor valuations. Journal of Marketing, 84(4), 1-22.

Kohli, A. K., & Jaworski, B. J. (1990). Market orientation: the construct, research propositions, and managerial implications. Journal of marketing, 54(2), 1-18.

Moorman, C., & Day, G. S. (2016). Organizing for marketing excellence. Journal of Marketing, 80(6), 6-35.