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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Absatztheorie und Marketing haben im Laufe ihrer Entwicklung zahlreiche interessante Wandlungen durchlaufen. Eine der nachhaltigsten war der in den 90er Jahren eintretende Wandel der zentralen Zielobjekte des Marketings. Bis dahin waren das eindeutig die Produkte und Dienste des Unternehmens, deren Erfolge sich in entsprechenden Absatz- bzw. Umsatzzahlen abbilden ließen. Entsprechend global (Betrachtungsebene Markt) und produktorientiert (Produkt- bzw. Sortimentserfolg) waren der Fokus des traditionellen Marketings. 

Getrieben von zahlreichen Umfeldveränderungen wuchs aber die Notwendigkeit, den Erfolg individueller Kundenbeziehungen in den Fokus zu nehmen. Das wurde zur Geburtsstunde des Beziehungsmarketings (Diller/Kusterer 1988). Es nimmt das originäre Postulat der Marketingtheorie ernst und stellt die Kundin und den Kunden tatsächlich in den Mittelpunkt des Erfolgsverständnisses: Ohne Kundenzufriedenheit kein langfristiger Absatzerfolg. Damit verschob sich auch die Betrachtungsebene der Marketingplanung von der aggregierten Markt- zur individuellen Kundenebene. 

Verstärkt wurde dieser Trend durch die Erkenntnis, dass die permanente Neukundengewinnung letztendlich erheblich ineffizienter ausfällt als die Bindung bereits gewonnener Kunden (Reichheld/Sasser 1991). Die Kundenbindung avancierte damit zu einem zentralen Marketingziel (Diller 1996). Wer gar nicht weiß, warum und welche Kundinnen und Kunden wann verloren gehen und welchen ökonomischen Wert sie besitzen, findet keinen Ansatz zur Verbesserung des Akquisitions- und des Beziehungserfolges. 

Damit emanzipierte sich auch die klassisch operative Vertriebspolitik in Richtung eines strategisch orientierten und analytisch basierten „Kundenmanagements“ (Diller 1995), dessen Erforschung zu Recht zu einem dominanten Thema der Marketingtheorie und Marketingforschung im neuen Jahrtausend wurde. In der Praxis entwickelten sich entsprechend veränderte Organisationsstrukturen, Analysemethoden und Marketingstrategien. Rund um das Beziehungsmarketing entstanden riesige Servicemärkte, etwa für CRM-Systeme, Touchpoint-Analysen für die „Customer Journey“, Suchmaschinen-Marketing oder Kundenintegration im Internet.

Ein Vierteljahrhundert nach Beginn des hier beschriebenen Wandels gab es zwar immer wieder praktische wie wissenschaftliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Kundenbindung, insbesondere, weil die Realität des Marktgeschehens zeigte, dass sie trotz Beziehungsmarketings häufig nicht zu-, sondern z.T. sogar abnahm. Dies lag aber nicht an der inneren Logik des Konzepts, sondern an der zunehmenden Digitalisierung der Einkaufswelten der Kundinnen und Kunden. 

Das Beziehungsmarketing muss sich an diese neuen Bedingungen anpassen, was z.B. bedeutet, Kundinnen und Kunden virtuell (manchmal auch physisch) in die Wertschöpfung zu integrieren („Kundenintegration“), die vielfältigen „touchpoints“ mit ihnen koordiniert zu steuern und sie nicht nur als Abnehmer, sondern auch als Business-Partnerinnen und -Partner zu interpretieren. In vielen Brachen kommt hinzu, dass Unternehmen mehr und mehr auf digitalen Plattformen bzw. in Business-Ökosystemen agieren, wo die Beziehungsperspektive über die Kundinnen und Kunden hinaus auch auf alle anderen Beteiligten in der Wertschöpfungskette ausgeweitet werden muss.

Quellenangaben

Diller, H.; Kusterer, M (1988): Beziehungsmanagement. Theoretische Grundlagen und explorative Befunde, in: MARKETING - Zeitschrift für Forschung und Praxis, 10. Jg. (1988), Heft 3, S. 211-220.

Diller, H. (1995): Kundenmanagement, in: Handwörterbuch des Marketing, hrsg. v. R. Köhler, B. Tietz und J. Zentes, Stuttgart 1995, Sp. 1363 – 1376.

Diller, H. (1996): Kundenbindung als Marketingziel, in: MARKETING-ZFP, 18. Jg. (1996), Heft 2, S. 81 – 94.

Reichheld, F.; Sasser, E. (1991): Zero-Migration. Dienstleister im Sog der Qualitätsrevolution, Harvard Business Manager, Vol. 13, Nr. 4, S. 108-116.
 

Autor

Hermann Diller

Prof. i.R.., 

Universität Erlangen-Nürnberg