Verband
Der Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. wurde am 26. November 1921 als Verband der Dozenten für Betriebswirtschaftslehre an deutschen Hochschulen mit Sitz in Frankfurt a. M. gegründet. Die Ziele des Verbandes waren die Förderung der Fachwissenschaft in Forschung und Lehre, die Interessenvertretung der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer hingegen wurde ausdrücklich nur nachrangig in die Verbandsarbeit aufgenommen. Mit der Wahl der Verbandsbezeichnung war auch ein Signal gesetzt für die Betriebswirtschaftslehre als wertfrei betriebenes Fach. Der Gründung war eine Reihe von informellen Treffen vorausgegangen. Zum ersten Male hatten die Dozenten für Betriebswirtschaftslehre Pfingsten 1914 in Leipzig getagt. Die nunmehr über hundertjährige Geschichte des Verbandes kann in fünf Abschnitte eingeteilt werden und ist von ihren Anfängen an eng mit den Namen der bedeutendsten deutschen Vertreter der Betriebswirtschaftslehre verbunden. So ging die Initiative zur Gründung von Heinrich Nicklisch, Abraham Adler und Fritz Schmidt aus. Bald wurden Ernst Pape und Josef Hellauer Mitglied des Verbandes, und auch Eugen Schmalenbach konnte gewonnen werden. Mit dem Aufbau des damaligen Dozentenverbandes war die Konsolidierung der Betriebswirtschaftslehre als Hochschuldisziplin aufs Engste verbunden. Nicklisch, Schmalenbach und Schmidt bildeten gemeinsam in der ersten Entwicklungsphase von 1921 bis 1930 für ungefähr ein Jahrzehnt nicht nur den Vorstand des Verbandes, sie festigten auch zusammen mit einer Reihe weiterer namhafter Hochschullehrer der Betriebswirtschaftslehre die Position dieser Disziplin im Fächerkanon der Wissenschaften.
Der Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. hat bis heute fünf Entwicklungsphasen durchlaufen.
Der zweite Abschnitt in der Verbandsgeschichte ist von 1933 bis 1948 zu datieren, in dieser Periode ruhte die Verbandsarbeit weitgehend. (Literaturhinweise zur Geschichte des Verbandes und der Rolle von Hochschullehrern der Betriebswirtschaftslehre in der Zeit des Nationalsozialismus finden sich unten.) In den Jahren 1938 und 1939 fanden nachweislich im Rahmen des Deutschen Betriebswirtschaftertages „Sondertagungen“ der „Gruppe der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre“ statt. Dortiger fachlicher Austausch sowie Hinweise auf Satzungsdiskussionen und die Existenz eines Mitgliederverzeichnisses auf dem Stand von 1943 legen nahe, dass sich der Verband nicht formal aufgelöst hat. Es ist jedoch offen, in welcher Form der Verband in dieser Zeit weiterbestand.
Die dritte Phase dauerte von der Wiedererrichtung des Verbandes (1948) bis ungefähr 1970. Am 22. und 23. Oktober 1948 fand auf Anregung von Rudolf Seyffert in den Trümmern der Universität Frankfurt a. M. das erste Treffen nach dem 2. Weltkrieg statt; daran nahmen 35 Verbandsmitglieder teil. Die Versammlung entschied sich für die Wiedererrichtung des Verbandes der Dozenten für Betriebswirtschaftslehre in vorläufig loser Form eines Trefftages. Bei der nächsten Zusammenkunft am 10. August 1949 wurde beschlossen, den Verband zunächst in Form eines nicht eingetragenen Vereins unter dem Namen „Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre“ fortzuführen. Auf dieser Tagung wurden Eugen Schmalenbach und Fritz Schmidt zu Ehrenmitgliedern ernannt.
Ab 1950 wurden die Jahrestagungen des Verbandes - einer alten Tradition folgend - wieder in der ersten Woche nach den Pfingstfeiertagen durchgeführt. Auf der Tagung 1950 wurde beschlossen, die Satzung des Verbandes aus seinen Gründerjahren mit einigen den Namen und die Mitgliedschaft des Verbandes betreffenden Ergänzungen wieder in Kraft zu setzen; der Verein wurde in das Vereinsregister in Köln eingetragen. Vom Jahre 1952 an sind die Kontakte zu Fachwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen des Auslandes wieder aufgenommen worden. Die Mitglieder der Vereinigung schweizerischer Betriebswirtschaftler, soweit sie Hochschullehrer oder Hochschullehrerinnen waren, traten anlässlich einer Tagung des Verbandes in St. Gallen 1971 in den Verband ein.
1970/71 wurde mit der "Kommission für Absatzwirtschaft" die erste wissenschaftliche Kommission des Verbandes gegründet.
Mit Beginn der siebziger Jahre trat der Verband in eine neue, vierte Entwicklungsphase ein. Bis dahin stützte sich die Verbandstätigkeit im Wesentlichen auf die traditionellen Pfingsttagungen, die den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt des Faches dokumentierten. Diese boten gleichzeitig dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine vorzügliche Gelegenheit, sich mit den eigenen Leistungen zu präsentieren. Die starke Zunahme der Zahl betriebswirtschaftlicher Lehrstühle an wissenschaftlichen Hochschulen in den sechziger Jahren und die sich intensivierende Diversifikation und Spezialisierung des Faches trugen dazu bei, dass 1970/71 mit der "Kommission für Absatzwirtschaft" die erste Wissenschaftliche Kommission des Verbandes mit einer permanenten Aufgabe und einer eigenständigen Arbeitsweise im Rahmen der Verbandsorganisation entstand. In den folgenden Jahren bildete der Verband weitere Wissenschaftliche Kommissionen. Seither stützte sich die Verbandsarbeit in gleicher Weise auf die allgemeinen Jahrestagungen mit einem wissenschaftlichen Generalthema in der Pfingstwoche und auf die intensive Arbeit in den Spezialgebieten der inzwischen 18 Wissenschaftlichen Kommissionen.
Etwa seit Beginn des neuen Jahrtausends befindet sich der Verband der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. in einer neuen, fünften Entwicklungsphase. Bemerkenswert ist in der jüngeren Entwicklung des Verbandes seine stärkere internationale Orientierung. Der Verband hat die Gründung der International Federation of Scholarly Associations of Management (IFSAM) während seiner Jahrestagung in Frankfurt 1990 aktiv gefördert und gehörte ihr bis 2014 als Mitglied an. Als Folge der Wiedervereinigung konnte der Verband im Jahre 1991 die ersten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Betriebswirtschaft aus dem Gebiet der ehemaligen DDR aufnehmen, denen eine Mitgliedschaft bis dahin versagt war. 1997 fand in Halle (Saale) zum ersten Mal seit den frühen dreißiger Jahren wieder eine Verbandstagung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR statt. Auffallend ist schließlich, dass seit wenigen Jahren der Anteil der Frauen unter den ordentlichen Mitgliedern zwar langsam, aber stetig wächst. Der Verband erfreut sich zunehmender Beliebtheit und hat positive Zuwachszahlen zu verzeichnen. Während am ersten Verbandstreffen nach dem Zweiten Weltkrieg knapp drei Dutzend Verbandsmitglieder teilnahmen, zählt der Verband heute über 2.200 Mitglieder.
Im Zuge der Wiedervereinigung konnte der Verband 1991 die ersten Mitglieder aus den neuen Bundesländern begrüßen.
Der Auf- und Ausbau der Kommunikation durch Newsletter, Internet-Plattform und über Social Media sowie die regelmäßige Veranstaltung von Diskussionsforen zu aktuellen Fragen der Hochschulpolitik stellen wichtige Maßnahmen für den wissenschaftlichen Austausch der Verbandsmitglieder dar. Auf der Website des Verbandes stehen der Öffentlichkeit umfassende Informationen über den Verein zur Verfügung. Des Weiteren haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich über ein Nutzerkonto anzumelden und verbandsinterne Leistungen zu nutzen. Die Internet-Präsenz des Verbandes wird kontinuierlich in Richtung einer weiteren Erhöhung der Interaktionsmöglichkeiten zu aktuellen Themenkreisen ausgebaut.
Literaturhinweise
Die Ausführungen wurden ursprünglich für das Mitgliederverzeichnis 1982 von Peter Mertens und Eduard Gaugler zusammengestellt.
Die Angaben zur Geschichte des Verbandes sind im Wesentlichen übernommen aus einem Beitrag von:
G.-H. v. Kortzfleisch: Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V., in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. I/3, 4. Aufl., hrsg. v. E. Grochla u. W. Wittmann, Stuttgart 1976, Sp. 4111 ff.;
Ergänzungen stammen von:
K. Banse, H. Linhardt, H. Müller-Merbach, K. Schwantag, K. Brockhoff, J. Hauschildt, H.J. Drumm, A. Picot, W. Ballwieser, W. Plinke, Th. Siegel, W. Weber, L. Nastansky, G. Schreyögg, A. Wagenhofer, C. Sureth, D. zu Knyphausen-Aufseß und B. E. Weißenberger.
Zur Geschichte des Verbandes und der Rolle von Hochschullehrerinnen und -lehrer der Betriebswirtschaftslehre in der Zeit des Nationalsozialismus siehe
Peter Mantel: Betriebswirtschaftslehre und Nationalsozialismus. Eine institutionen- und personengeschichtliche Studie, Wiesbaden 2010.
Eine erste systematische Darstellung der Entwicklung des VHB und damit der BWL findet sich in der Veröffentlichung:
Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft. Geschichte des VHB und Geschichten zum VHB, hrsg. v. Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V., koord. v. W. Burr und A. Wagenhofer, Wiesbaden 2012.
Klaus Brockhoff veröffentlichte 2016 zwei Artikel zur Entwicklung des VHB bis 1953. In diesen Artikeln gibt es neue Erkenntnisse zur Arbeit des VHB, die in dem oben aufgeführten Text ergänzt wurden.
Klaus Brockhoff: Der Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB) 1948 bis 1953, erschienen in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (BFuP), 1 (2016)
Klaus Brockhoff: Zur Vor- und Frühgeschichte des Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft, erschienen in: ZfbF, 68 (2016)