Schlaglichter der BWL
Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB
1921 ist ein bedeutendes Jahr in der Geschichte der deutschen Betriebswirtschaftslehre; eine Organisation, aus der der heutige Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. hervorgegangen ist, wurde gegründet. Und es ist ein bedeutendes Jahr für die Volkswirtschaftslehre. 1921 erschien Frank H. Knights Werk „Risk, Uncertainty, and Profit“. Zugegebenermaßen sowohl die Gründung des VHB als auch Knights Werk waren damals gegen den Strich der orthodoxen Volkswirtschaftslehre. Der VHB hat sich im Laufe der letzten hundert Jahre etabliert, einige der Volkswirtinnen und Volkswirte nehmen die (meisten) Betriebswirtinnen und Betriebswirte dennoch nicht ernst und schauen stattdessen abschätzig auf sie herab, was viele Betriebswirte wurmt und kränkt. Knights Werk ist innerhalb der Volkswirtschaftslehre ein Außenseiter geblieben. Es wird zwar äußerst häufig zitiert, jedoch folgt die VWL seinen Erkenntnissen nicht oder nur in sehr geringem Maße.
Knight hat gezeigt, dass individuelle Unsicherheit etwas fundamental anderes ist als Risiko, da bei individueller Unsicherheit weder a-priori noch statistische Wahrscheinlichkeiten sinnvoll abgeleitet werden können. Unter den Bedingungen der individuellen Unsicherheit kann somit nicht optimiert werden. Unternehmerische Probleme, also Probleme, mit denen sich die Betriebswirtschaftslehre beschäftigt, sind unter den Bedingungen der individuellen Unsicherheit zu lösen. Die Betriebswirtschaftslehre ist somit der ideale Ort, um auf den Erkenntnissen und Gedanken von Frank H. Knight aufzubauen. Eine der Schlussfolgerungen, zu der man gelangt, denkt man Knight weiter, ist, dass ein Unternehmen ein Versuch ist. Unternehmen entziehen sich der Optimierung und sind ein Versuch nicht nur im Zuge ihrer Gründung, sondern bleiben ein fortwährender Versuch.
Die Betriebswirtschaftslehre befindet sich gegenwärtig in einer Relevanz- und Substanzkrise. Der VHB hat in den letzten Jahren versucht, hierauf zu reagieren und dabei auch eine Reihe sehr wertvoller Beiträge geleistet. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob das Fundament der Betriebswirtschaftslehre im hundertsten Jahr des Bestehens ihres Verbandes tragfähig ist. Und es stellt sich die Frage, wie die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre aussehen sollte – zerfleddert in einer Interdisziplinarität ohne eigene Identität oder im Austausch mit anderen Wissenschaften auf Augenhöhe und auf Basis eines klar umrissenen Kerns. Ich wünsche dem VHB zu seinem 100-jährigen Bestehen, das Schiff der Betriebswirtschaftslehre gekonnt durch die Stürme der nächsten Jahre zu navigieren.