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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Die Arbeit von Alfred Chandleri hat das Verständnis zum Zusammenhang von Unternehmensstrategie und Organisationsstruktur maßgeblich geprägt. Sein Befund, wonach eine Strategie der zunehmenden Diversifikation zu einer Divisionalstruktur führt, fand ihre Absolutheit in der These „structure follows strategy“. Aber kann man das wirklich so allgemein sagen? Man sollte sich zu mindestens der Konsequenzen bewusst sein, denn sehr wohl besitzt die Organisation einen Einfluss auf das strategische Entscheidungsverhalten. Letztlich sind es organisatorische Strukturen und Prozesse, die festlegen, welche strategisch relevanten Informationen ins „organisatorische Haus“ gelangen und welche eben gerade nicht. Was die Organisation nicht „sieht“ und entsprechend ausleuchtet schlägt sich als dunkler Fleck im Rahmen einer Unternehmensstrategie nieder.

Wie schon die Arbeiten von Hall und Saiasii gezeigt haben, kann die Organisation als ein Informationsfilter mit Blick auf die strategierelevanten Informationen im strategischen Entscheidungsprozess verstanden werden. So sind beispielsweise bürokratische Strukturen aufgrund ihrer starken Orientierung am routinehaften Aufgabenvollzug wenig geneigt, Strategien zu entwickeln, die innovative Aspekte enthalten und einen weit in die Zukunft gerichteten Planungshorizont besitzen. Bürokratische Strukturen wirken als Filter für Informationen mit innovativem Charakter. Innovationen wirken störend bei der Umsetzung von Routineaufgaben. Informationen, die zur Aufnahme innovativer Aspekte bei der Strategieformulierung führen könnten, werden damit von bürokratischen Strukturen unterdrückt. Aber auch das Ausmaß der Beteiligung autonomer Divisionen an der Strategieentwicklung beeinflusst nachhaltig die getroffenen strategischen Entscheidungen. Die Autonomie der einzelnen Divisionen führt zu Bereichsegoismen. Strategische Entscheidungen werden stets unter der Divisionalzielsetzung beurteilt. Gesamtunternehmungszielsetzungen besitzen niedrigere Priorität. 

Insofern wirkt die Divisionalstruktur als Filter hinsichtlich derartiger Informationen, die strategische Entscheidungen zur Konsequenz haben, deren Verwirklichung zu Lasten der Divisionalzielsetzung gehen würde. Miller und Frieseniii verweisen in diesem Zusammenhang auf spezifische Eigendynamiken von Strategien und Strukturen, sich immer weiter zu verstärken, was dazu führt, dass selbige sich auch immer schwieriger ändern lassen. 

Eine sehr ähnliche Erklärung liefert bereits das Konzept der strukturellen Trägheit von Hannan und Freemaniv. Diese Trägheit ist allerdings nicht zwangsläufig als negativ für eine Organisation zu werten, da sie in vielfältiger Art und Weise auch positiv sanktioniert wird. Stichworte wie Verlässlichkeit von Prozeduren sowie das Vorhandensein einer stabilen Erwartungshaltung bei internen oder externen Organisationsteilnehmerinnen und -teilnehmern seien hier genannt. 

Entsprechend sollten sich die Träger strategischer Entscheidungen stets dieser Mechanismen bewusst sein, da sie anderenfalls Entscheidungen treffen, deren Informationsgrundlage organisatorischer Verzerrungen unterliegen.  
 

Quellenangaben

1 Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete Fassung des Editorials der Zeitschrift Führung & Organisation (zfo) aus Heft 1/2021.

i Vgl. Chandler, A.D. (1962): Strategy and Structure. Cambridge, MA.

ii Vgl. Hall, D.J./Saias, M.A. (1980): Strategy Follows Structure!. Strategic Management Journal 1, 149-163.

iii Vgl. Miller, D./Friesen P.H. (1984): Organizations: A Quantum View. Englewood, NJ.

iv Vgl. Hannan, M.T./Freeman, J. (1984): Structural Inertia and Organizational Change. American Sociological Review 49, 149-164.

Autor

Gerhard Schewe

Westfälische Wilhelms-Universität Münster 

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