Schlaglichter der BWL
Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB
Die Öffentliche Betriebswirtschaftslehre (ÖBWL) ist eine von etlichen speziellen Betriebswirtschaftslehren und seit über 40 Jahren mit einer Kommission im VHB vertreten. Sie befasst sich insbesondere mit Organisationen im öffentlichen Sektor (Verwaltungsinstitutionen wie auch öffentlichen Unternehmen), aber auch mit nicht-öffentlichen Nonprofit-Organisationen. Ihr zentraler Analyse-Blickwinkel richtet sich auf Effektivität (Wirksamkeit) und Effizienz (Wirtschaftlichkeit) der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und des Handelns in öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Organisationen.
Die ÖBWL kann aber auch als eine der Basisdisziplinen im Kanon der Verwaltungswissenschaften angesehen werden. Diese befassen sich aus verschiedenen Analyseperspektiven mit dem öffentlichen Sektor, vor allem mit Phänomenen der Legitimation, der Legalität sowie der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Verwaltungshandeln. Auf die letztgenannten beiden Aspekte konzentriert sich die ÖBWL, sie deckt damit jedoch den gesamten Analysehorizont nur teilweise ab. Um das Verwaltungshandeln zu analysieren und zu verbessern, sind somit neben der ÖBWL vor allem auch die Rechts- und Politikwissenschaften erforderlich.
„ÖBWL“ ist als Disziplinenbezeichnung auf den deutschsprachigen Raum begrenzt. International – und zunehmend auch im deutschsprachigen Raum - wird der Arbeitsbereich der ÖBWL als „Public Management“ bezeichnet, wobei das mit diesem Begriff verbundene Wissenschaftsverständnis konzeptionell stärker multidisziplinär angelegt ist und den Nonprofitsektor eher ausblendet. Der internationale Vergleich zeigt, dass sich eine deutliche interdisziplinäre Öffnung und Ausrichtung der ÖBWL positiv auf die Sichtbarkeit und Präsenz dieses Faches in Lehre und Forschung auswirken und mittelfristig zur stärkeren Institutionalisierung des Faches in der akademischen Landschaft beitragen kann.
Zwischen der ÖBWL und ihrer Mutterdisziplin Betriebswirtschaftslehre bestehen zahlreiche Querbezüge. Zunächst ist es der zentrale Analysefokus der Effizienz, der bei der ÖBWL jedoch um das Kriterium der Effektivität erweitert wird. Auch bei Forschungstraditionen und –methoden bestehen Gemeinsamkeiten. BWL wie ÖBWL arbeiten stark handlungsorientiert und streben praxeologische Gestaltungsempfehlungen an. Und schließlich rekrutiert sich – zumal in Deutschland - der akademische ÖBWL-Nachwuchs primär aus der Mutterdisziplin.
Allerdings bestehen auch zwischen ÖBWL und den Verwaltungswissenschaften wichtige Querbezüge. Die ÖBWL muss die politische Dimension von Verwaltungshandeln ebenso berücksichtigen wie die rechtliche Dimension. Bspw. beeinflusst die politische Rationalität zahlreicher Verwaltungsakteure viele Konzepte der ÖBWL stark. Dementsprechend ist eine enge betriebswirtschaftliche Sicht auf den komplexen Objektbereich „Öffentliche Verwaltung“ unangemessen. Die Effektivität von Verwaltungshandeln – im Sinne der Erzielung intendierter politischer Wirkungen (Outcome bzw. Impact) – ist in öffentlichen Einrichtungen meist wesentlich relevanter als die bloße Wirtschaftlichkeit des Handelns. Außerdem erfordern die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerinnen und Bürger in ihren verschiedenen Erscheinungsformen als Infrastrukturnutzer*innen, Leistungsempfänger*innen, Wähler*innen, Abgabenzahler*innen usw. eine breitere Analysesicht, als dies im privatwirtschaftlichen Bereich der Fall ist. Insofern muss die ÖBWL eng mit den anderen Basisdisziplinen der Verwaltungswissenschaften kooperieren.
Quellenangaben
Röber, Manfred und Christina Schaefer (2021): Öffentliche Betriebswirtschaftslehre – eine Disziplin auf der Suche nach ihrer Identität, in: Ideengeschichte der BWL, Band 2, hrsg. von Wenzel Matiaske und Dieter Sadowski, Wiesbaden (im Erscheinen).
Reichard, Christoph (2003): Zum Stand der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre. In: Die Verwaltung, 36, 3, 389-407.
Autor
Christoph Reichard
Universität Potsdam