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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Die Betriebswirtschaftslehre ist eine vergleichsweise junge Disziplin. Erst vor gut 100 Jahren hat die BWL den Sprung von stark praxisorientierten Handelshochschulen an die Universitäten geschafft. Um Akzeptanz in akademischen Kreisen bemüht, suchte man damals den Beitrag betriebswirtschaftlicher Forschung in Abgrenzung zu individuellem Profitstreben zu betonen: im Fokus stehe, so einer der Gründerväter der universitären BWL, Eugen Schmalenbach, „die Fabrik als Fabrik und nicht als Veranstaltung eines Unternehmers“. BWL als Wissenschaft sollte der „gemeinwirtschaftlichen Produktivität”, nicht dem Unternehmertum dienen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg fokussierte die BWL Erich Gutenbergs vor allem die Steigerung der betrieblichen Produktivität, der kreative Unternehmergeist wurde als „irrationale Wurzel” von der Betrachtung ausgeklammert.

In den letzten 20 Jahren hat sich dieser Fokus verschoben. Erforschung und Förderung unternehmerisch-kreativen Handelns rücken unter Schlagworten wie „Innovation“ und „Entrepreneurship“ zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit der BWL. Aber auch Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler werden angehalten, unternehmerische Verwertbarkeit ihrer Erkenntnisse mitzudenken und Hochschulen bemühen sich, bei Patentierungsprozessen zu unterstützen. 

Diese Entwicklung ist prinzipiell begrüßenswert. Denn vieles am Unternehmertum ist Handwerk. Eine gute (Geschäfts-)Idee allein reicht kaum je für eine erfolgreiche Unternehmensgründung. Außerdem trägt die Forschung und Lehre zu Entrepreneurship auch dazu bei, unternehmerisches Scheitern zu entstigmatisieren: Ein Unternehmen zu gründen bedeutet immer auch, ein Risiko einzugehen. Die Mehrheit neu gegründeter Start-ups scheitert, nur eine kleine Minderheit wird einmal ein größeres Unternehmen – und das ist auch gut so. Experimentieren, Ausprobieren, Scheitern sind alles notwendige Teile von Innovationsprozessen und einer kreativen Gründungskultur. 

Gleichzeitig ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass Wissenschaft und Universitäten auch auf eine ganz andere Weise einen Beitrag für unternehmerisches Handeln und darüber hinaus leisten: durch eine möglichst freie und breite Verbreitung ihrer Forschungsergebnisse. Wissen, das nicht patentiert, sondern frei zugänglich der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, verbessert die Produktivität nicht nur eines Einzigen, sondern potenziell ganzer Branchen und Sektoren. Neue Geschäftsmodelle entstehen oft aus kreativer Rekombination von bekanntem Wissen. Je einfacher und niederschwelliger der Zugang zu wissenschaftlichem Wissen, desto mehr Menschen und Unternehmen können ihren eigenen Wissens- und Erfahrungsschatz damit schöpferisch in Beziehung setzen. Am allerbesten funktioniert das, wenn nicht nur die Ergebnisse, sondern auch Rohdaten und Methoden frei im Netz zugänglich gemacht werden. 

Solcherart offene Wissenschaft – Open Science – ist deshalb ein Weg für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Verwertbarkeit ihrer Ergebnisse zu steigern, ohne deshalb gleich selbst unternehmerisch tätig werden zu müssen. Aus Perspektive der Betriebswirtschaft würde das bedeuten, die neuen Erkenntnisse zu Innovation und Entrepreneurship mit der Schmalenbachschen Idee von der Steigerung gemeinwirtschaftlicher Produktivität als wissenschaftliche Aufgabe zusammenzubringen. Eine schöpferische Rekombination also, mit Implikationen über die disziplinären Grenzen der Betriebswirtschaftslehre hinaus.

Quellenangaben

1 Dieser Beitrag ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung des Artikels „Wissenschaftliches Wissen verwertbar machen“, erschienen in: Zukunft Forschung, 02/2020, https://diglib.uibk.ac.at/ZuFo/periodical/pageview/5566673  

Autor

Leonhard Dobusch

Institut für Organisation und Lernen, Universität Innsbruck

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