Schlaglichter der BWL
Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB
Die Fähigkeit zu transportieren und zu lagern ist eine zentrale Errungenschaft menschlicher Kultur, denn ohne Handlungen des räumlichen und zeitlichen Transfers von Gütern und Abfällen sind kein gesicherter Konsum, keine arbeitsteilige Produktion und keine Entsorgung der dabei entstehenden Abfälle denkbar. Seit den 60er Jahren in den USA und den 70er Jahren in Deutschland findet sich der Terminus „Logistik“ zur Kennzeichnung dieser Handlungen. Zuvor stand Logistik ausschließlich für militärische Aktivitäten. In seinem Grundlagenwerk zum „Wesen der Kriegskunst“ bezeichnet Jomini die Logistik als die praktische Anwendung der Kunst, die Heere zu bewegen. Warum und wie dieser militärische Begriff Eingang in das Wirtschaftsleben gefunden hat, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären. Eine Schlüsselrolle scheinen dabei ehemalige US-Militärangehörige gespielt zu haben. Bereits 1955 stellte Morgenstern in einem Grundlagenaufsatz die Gemeinsamkeiten der Logistik im Militär und in der Wirtschaft dar. In den Folgejahren entstanden in den USA zunehmend wissenschaftliche Beiträge und Lehrbücher zur so genannten „Business Logistics“. Früh finden sich darin Forderungen nach einer Betrachtung der Logistik als ganzheitliches System. Ein Beispiel dafür bilden die Ausführungen von Bowersox, Smykay und LaLonde, die Ende der 60er Jahre ein Systemkonzept für die Physische Distribution vorschlagen.
Mit Beginn der 70er Jahre nahm auch in Deutschland die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Logistik an Fahrt auf. Dem damals vorherrschenden Ansatz der Betriebswirtschaftslehre folgend, wurde die Logistik auch hierzulande aus der Perspektive der System- und Entscheidungstheorie betrachtet. Zeugnis davon geben insbesondere drei unabhängig voneinander entstandene frühe Aufsätze von Kirsch (1971), Ihde (1972) und Pfohl (1974). Obwohl bereits Kirsch von einer auf diesem Ansatz aufbauenden Konzeption der Logistik spricht, kommt wohl Pfohl der Verdienst zu, mit seiner Dissertation „Marketing-Logistik“ von 1972 unter Bezug auf US-amerikanische Literatur die Idee der „Logistikkonzeption“ explizit in die deutschsprachige BWL eingeführt zu haben. Danach umfasst die Logistikkonzeption zwei wesentliche Bestandteile: die systemtheoretische Betrachtungsweise und das Gesamtkostenprinzip.
Mit der Neugestaltung und Neuauflage dieser Schrift als Lehrbuch unter dem bezeichnenden Titel „Logistiksysteme“ ging 1985 eine wesentliche Weiterentwicklung der Logistikkonzeption einher. Diese gliedert sich nun in die vier konzeptionellen Elemente Systemdenken, Gesamtkostendenken, Servicedenken und technisch-wirtschaftliches Effizienzdenken, wobei der Systemorientierung weiterhin die grundlegende Rolle zukommt. Mit der 5. Auflage der Logistiksysteme trat 1995 als fünftes Element das wert- und nutzenorientierte Denken hinzu.
Der Entwurf der Logistikkonzeption war von Anfang an von der Grundidee geprägt, dass das Wie und nicht das Was ausschlaggebend für die erfolgreiche Erfüllung logistischer Aufgaben ist. Denn die Verankerung der Logistikkonzeption in der Betriebswirtschaftslehre ermöglichte nicht nur neue Aussagen definitorischer, deskriptiver und theoretischer Art, sondern vor allem fundierte Handlungsempfehlungen für die Koordination logistischer Entscheidungen in Betrieben. So ist es der Durchsetzung der Logistikkonzeption zu verdanken, dass heute die ganzheitliche Betrachtung logistischer Handlungen sowohl in Wissenschaft und Lehre als auch in der betrieblichen Anwendung eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Quellenangaben
Large, Rudolf O.: Logistikmanagement. Betriebswirtschaftliche Logistik: Band 2. Berlin und Boston 2016.
Pfohl, Hans-Christian: Marketing-Logistik. Gestaltung, Steuerung und Kontrolle des Warenflusses im modernen Markt. Mainz 1972.
Pfohl, Hans-Christian: Logistiksysteme. Betriebswirtschaftliche Grundlagen. 9., neu bearb. u. akt. Aufl. Berlin et al. 2018.
Autor
Rudolf O. Large
Universität Stuttgart