Weiter zum Inhalt
Suchseite öffnen

Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Warum ist man bereit, einen fünfstelligen €-Betrag für einen Bitcoin, letztlich einen Registereintrag, zu zahlen, der eine Einheit eines virtuellen Zahlungsmittels repräsentiert? Warum hat eine private Währung ohne Besicherung überhaupt einen positiven Wert? Mit mehr als viereinhalbtausend verschiedenen Kryptowährungen, einem Kurs von zeitweise über 50.000 € der wichtigsten Kryptowährung Bitcoin und einer Gesamt-Marktkapitalisierung von zeitweise über 2 Billionen € im Jubiläumsjahr des VHB, scheinen Bitcoin & Co derzeit weit von der durch zahlreiche Expertinnen und Experten prophezeiten Bedeutungslosigkeit entfernt. Sicherlich haben Kryptowährungen attraktive originäre Eigenschafteni, die bis heute mit keinem anderen bekannten Zahlungssystem erreichbar sind: Hervorzuheben ist der gerade von uns deutschen Bargeldliebhaberinnen und -liebhabern hoch geschätzte dezentrale Transfer bei gleichzeitiger virtueller Repräsentation, die erhebliche Effizienzvorteile gegenüber der physischen bringt.

Gleichwohl ist nicht das digitale Geldinstrument per se innovativ, sondern die zugrundeliegende Technologie. Kryptowährungen basieren auf der Blockchain-Technologie (BC-T). Schenkt man den Krypto-Visionären Glauben, so könnte diese Technologie unsere Welt in einem Ausmaß wie einst das Internet revolutionieren.  Die BC ist eine verteilte Datenbank auf Basis modernster Kryptografie, die sich im Wesentlichen durch zwei strukturelle Elemente auszeichnet:ii die Methode zur Organisation und Speicherung von Daten und, noch wichtiger, die Methode zur Schaffung von Vertrauen in die Daten. Als eine Art Kassenbuch erlaubt die BC, Informationen festzuhalten und zu verfolgen, seien es Finanztransaktionen wie bei Kryptowährungs-Anwendungen oder über anderes von Wert. Die Datenorganisation erfolgt als stetig wachsende Liste von zeitgestempelten Datensätzen, mit der Möglichkeit, Daten hinzuzufügen, nicht aber zu ändern oder gar zu löschen. Die BC enthält also immer die komplette Historie, ist außerdem dezentral organisiert und zielt letztlich darauf ab, Transaktionen zwischen nicht vertrauenswürdigen Akteuren ohne vertrauenswürdigen Intermediär zu ermöglichen. Dafür bedarf es einer Methode, die das Vertrauen in die Daten fördert. Hier kommt mit dem Konsensmechanismus die wesentliche Innovation der BC-T ins Spiel. Dieser regelt, wer als nächstes neue Transaktionen in die BC übertragen darf. Der verbreitetste Konsensmechanismus ist der dem Bitcoin zugrundeliegende Proof-of-Work Mechanismus. Seine Idee besteht darin, das Erstellen eines Datenblocks kostenintensiv zu gestalten und gleichzeitig dessen Korrektheitsprüfung durch dritte möglichst einfach und kostenarm zu ermöglichen. Wesentlicher Nachteil ist der hohe Energieverbrauch, der für die Erstellung eines Datenblocks benötig wird. Aber es gibt Alternativen, wie etwa das Proof-of-Stakeiii Konzept, das zukünftig für die Kryptowährung Ethereum zum Einsatz kommen soll, wenngleich der echte Praxistest noch aussteht. Letztlich ersetzt eine funktionierende BC-T den klassischen vertrauenswürdigen Intermediär quasi durch technologisches Vertrauen. 

Kryptowährungen sind bis dato die erfolgreichste Anwendung dieser Technologie. Mit Initial Coin Offerings, Wertpapierabwicklung, Corporate Governance und dezentralisierten Finanzanwendungen auf Basis von Smart Contracts sehen wir weitere – derzeit noch vor allem im Finanzbereich. Die Anwendung, die unsere Welt auf den Kopf stellt, gilt es noch zu finden. Vielleicht findet sie sich in der nächsten Auflage des VHB Jubiläumskalenders.

Quellenangaben

Schuster, P., Theissen, E. & Uhrig-Homburg, M. Finanzwirtschaftliche Anwendungen der Blockchain-Technologie. Schmalenbachs Z betriebswirtsch Forsch 72, 125–147 (2020). 

Eska, F., Shi, Y., Theissen, E. & Uhrig-Homburg, M. Design and Performance of Cryptocurrencies. Working Paper (2021).

Eska, F. & Uhrig-Homburg, M. Model-based valuation of Proof-of-Stake cryptocurrency networks and design implications. Working Paper (2021). 

i Vgl. hierzu Eska, Shi, Theissen & Uhrig-Homburg (2021).

ii Eine ausführlichere Diskussion hierzu findet sich in Schuster, Theissen & Uhrig-Homburg (2020).

iii Zu den Bewertungsimplikationen vgl. Eska & Uhrig-Homburg (2021).
 

Autorin

Marliese Uhrig-Homburg

Karlsruher Institut für Technologie