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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Dieses Lied wurde zur Eröffnung der Kölner Handelshochschule von Erstsemestern dargebracht (der vorliegende Beitrag profitierte von Kieser/Nicolai (2003)). Es zeigt: Zu den frühesten Anfängen der Betriebswirtschaftslehre (BWL) war die Praxis nicht vom Nutzen dieser Lehre überzeugt, nicht einmal die Studierenden dieses Fachs. Max Weber argwöhnte (nicht zu Unrecht), die Handelshochschulen seien nur begründet worden, weil »die (Handels-) Kommis gern … reserve-offiziersfähig werden möchten: ein paar Schmisse ins Gesicht, ein bisschen Studentenleben, ein bisschen Abgewöhnung der Arbeit – alles Dinge, bei denen ich mich frage, ob wir denn damit … der Welt Konkurrenz machen können« (zit. n. Schneider, 2002, S. 49). Die Geringschätzung von Seiten der etablierten Wissenschaft, kränkte die BWL-Professoren mehr als die von Seiten der Praxis und so verlegten sie sich vor allem aufs „Verwissenschaftlichen“ (Franz/Kieser, 2002): Sie legten sich einen wissenschaftlichen Jargon zu, führten das Promotionsrecht ein, und gründeten wissenschaftliche Zeitschriften.

Diese Strategie machte die BWL wissenschaftlicher, hatte aber den Nachteil, die Kluft zur Praxis zu vertiefen.

Die verwissenschaftlichte BWL müsse popularisiert werden, wurde nun gefordert. Und so entwickelte sich in Universitäten neben der Wissenschaft eine „Ratgeber-Kultur“, nicht selten getragen von denselben Proponenten (March/Sutton, 1997). Insbesondere für die Managementausbildung mussten die Professorinnen und Professoren lernen, “how to communicate more effectively with practitioners” (Rynes/Giluk/Brown, 2007, S. 1047). Jedoch, guter praktischer Rat ging häufig verloren „in translation“, aber auch „before translation“ (Shapiro/Kirkman/Courtney, 2007). Vor allem, wie James March meint, weil BWL-Forscher mit den Kontexten, in denen Manager operieren, nicht ausreichend vertraut seien (Coutu, 2006).

1959 bekam der Trend zur „Verwissenschaftlichung“ kräftig Auftrieb durch Gutachten zweier renommierter Foundations (Carnegie und Ford), in denen renommierten Business Schools der USA attestiert wurde, neben den Schools of Medicine oder Physics wirkten sie wie Berufsschulen. Sie müssten „applied research at a higher analytical level” betreiben, was implizieren würde “the formulation of challenging hypotheses, the development and use of more sophisticated analytical tools, including more utilization of concepts and findings from the various social sciences and greater reliance on the tools of mathematics and statistics, and the systematic collection of detailed and reliable data” (Gordon/Howell, 1959: S. 382). Dieser Empfehlung kamen die Business School eifrig, wenn nicht übereifrig nach und mit ihnen die für Managementausbildung in anderen Ländern Verantwortlichen, die sich Business Schools in den USA zum Vorbild genommen hatten. Die Statistik von Studien wie auch mathematische Modellierungen nahmen beängstigende Ausmaße an.

Kritisiert wurde auch, dass die Ausbildung an Business Schools von Professorinnen und Professoren vorgenommen werde, die selbst nie ein intensiveres praktisches Training durchlaufen hatten.  Bennis und O’Toole (2005, S. 102) bemängelten etwa: „We cannot imagine a professor of surgery who has never seen a patient, or a piano teacher who doesn’t play the instrument, and yet today’s business schools are packed with intelligent, highly skilled faculty with little or no managerial experience.”

Nicht wenige versprachen sich von gemeinsam von Wissenschaftlern und Praktikern durchgeführten Projekten eine Integration von Wissenschaft (rigor) und Praxis (relevance), was aber den Einwand provozierte, Praktiker seien nicht so versiert, weder in Theorien noch in Methoden (Kieser/Leiner, 2012).

Es kommt wohl darauf an, Studierende der BWL in die Lage zu versetzen, Anwendungsbezüge der Theorie eigenständig erkennen zu können. So sahen es wohl auch die Sänger der Erstsemester-Studenten der Kölner Handelshochschule in der Fortsetzung ihres Liedes:

Wir kommen nicht, mit Theorie
Die Augen zu bebrillen,
Sind nicht einmal ausschließlich hie,
Um unseren Durst zu stillen.
Wir wollen an der Wissenschaft
Des Geistes Muskeln weiten
Und dann mit doppelt schneid’ger Kraft
Die wilde Praxis reiten.
Valleri, vallera, valleri, vallera,
Die wilde Praxis reiten.

Literaturhinweise

Bennis, Warren G./O'Toole, James (2005): How business schools lost their way. In: Harvard Business Review, Vol. 83 (2005), S. 96-104.

Coutu, Diane (2006): Ideas as art: An interview with James G. March. In: Harvard Business Review, Vol. 84 (2006), S. 82-89.

Franz, Heike/Kieser, Alfred (2002): Die Frühphase der Betriebswirtschaftslehre an Hochschulen (1898-1932). In: Gaugler, Eduard/Köhler, Richard (Hrsg.): Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 1000 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte. Stuttgart. S. 61-87.

Gildemeister, A. (1901): Liederbuch  „Zur Eröffnung der städtischen Handels-Hochschule in Köln am 1. Mai 1901". Köln 1901.

Gordon, Robert A./Howell, James E. (1959): Higher Education for Business. New York 1959.

Kieser, Alfred/Nicolai, Alexander (2003): Mit der Theorie die wilde Praxis reiten, valleri, vallera, valleri? In: Die Betriebswirtschaft, Vol. 63 (2003), S. 589-594.

Kieser, Alfred/Leiner, Lars (2012): Collaborate with practitioners: But beware of collaborative research. In: Journal of Management Inquiry, Vol. 21 (2012), S. 14-28.

March, James G./Sutton, Robert I. (1997): Organizational performance as a dependent variable. In: Organization Science, Vol. 6 (1997), S. 698-706.

Rynes, Sara L/Giluk, Tamara L/Brown, Kenneth G (2007): The very separate worlds of academic and practitioner periodicals in human resource management: Implications for evidence-based management. In: Academy of management journal, Vol. 50 (2007), S. 987-1008.

Schneider, Dieter (2002): Die ersten Handelshochschulen. In: Gaugler, Eduard/Köhler, Richard (Hrsg.): Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre. 1000 Jahre Fachdisziplin – zugleich eine Verlagsgeschichte. Stuttgart. S. 39-60.

Shapiro, Debra L./Kirkman, Bradley L./Courtney, Hugh G. (2007): Perceived causes and solutions to the translation problem in management research. In: Academy of Management Journal, Vol. 50 (2007), S. 249-266

Autor

Alfred Kieser

Emeritus, Universität Mannheim, Fakultät für Betriebswirtschaftslehre