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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Der Begriff der Integrativität bezeichnet die Integration von Nachfragern und/oder von ihnen bereitgestellter Inputfaktoren, sog. „externe Faktoren“, in die Leistungserstellung eines Anbieterunternehmens. Der Begriff ist 1993 von Werner H. Engelhardt, Michael Kleinaltenkamp und Martin Reckenfelderbäumer mit der Veröffentlichung ihres Artikels „Leistungsbündel als Absatzobjekte“ in der Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung in die betriebswirtschaftliche Literatur eingeführt worden.i Er basiert auf der von Engelhardt in seiner Habilitationsschrift entwickelten Leistungslehre, welche die drei Leistungsdimensionen Potenzial, Prozess und Ergebnis differenziert und den Einfluss der „Kundenleistung“ auf betriebliche Prozesse explizit berücksichtigt.ii

Die Begriffsfassung ging einerseits auf Erich Gutenbergs neoklassisch geprägte Produktionstheorie zurückiii, die Produktion (allein) als eine Kombination von (unternehmens-)internen Produktionsfaktoren versteht. Entsprechend einer „Input – Throughput – Output“-Perspektive werden diese internen Faktoren als Inputs in einem Produktionsprozess miteinander kombiniert, wodurch Produkte als Outputs entstehen. Dieser Sichtweise widersprachen andererseits die Einsichten, die in den frühen Arbeiten zur Betriebswirtschaftslehre von Dienstleistungsunternehmen sowie zum Dienstleistungsmarketing gewonnen wurden. Sie besagten, dass Dienstleistungen u.a. dadurch gekennzeichnet sind, dass bei ihrer Erstellung vom Nachfrager bereitgestellte sog. externe (Produktions-)Faktoren, an denen bzw. mit denen die Dienstleistung erbracht wird, in den Leistungserstellungsprozess des Anbieters integriert werden, was in der englischsprachigen Literatur auch als Customer Participation,Customer Integration oder Prosuming bezeichnet wird. Dabei werden verschiedene Arten externer Faktoren unterschieden, u.a.:

  1. die Person des Nachfragers selbst bzw. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines nachfragenden Unternehmens, z.B. bei einer Beratungs-, Schulungs- oder Trainingsmaßnahme,
  2. sachliche Objekte, wie etwa eine zu reparierende Maschine, ein zu bebauendes Grundstück oder ein zu reinigendes Gebäude,
  3. Rechte, die etwa von einem Lizenznehmer oder einem Rechtsanwalt im Rahmen eines Rechtsstreits in Anspruch genommen werden dürfen und/oder
  4. Informationen, die im Rahmen einer Leistungserstellung, z.B. von einer Werbeagentur, einem Unternehmensberater oder einem externen Datenverarbeitungsunternehmen, verarbeitet werden.

Im Gegensatz zur Sicht der neoklassischen Produktionstheorie können diese externen Faktoren nicht oder nur teilweise vom Anbieterunternehmen autonom gesteuert werden, da sie sich in der Verfügungsgewalt der Nachfrager befinden. Daraus ergeben sich eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Herausforderungen, die für das Dienstleistungsmanagement bis heute kennzeichnend sind. Hierbei hat sich die aktuelle Dienstleistungsforschung mittlerweile deutlich differenziert, u.a. durch eine stärkere Beachtung der Kollaboration in und der Digitalisierung von integrativen Wertschöpfungsprozessen. 

Quellenangaben

i Engelhardt, W. H., Kleinaltenkamp, M. & Reckenfelderbäumer, M. (1993). Leistungsbündel als Absatzobjekte - Ein Ansatz zur Überwindung der Dichotomie von Sach- und Dienstleistungen, Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 45. Jg., Heft 5, S. 395-426

ii Engelhardt, W.H. (1966). Grundprobleme der Leistungslehre, dargestellt am Beispiel der Warenhandelsbetriebe, in Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 18. Jg., Heft 2, S. 158-178.

iii Gutenberg, E. (1951). Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Die Produktion, Berlin et al., Springer

Autoren

Martin Gersch

Freie Universität Berlin

Website

Michael Kleinaltenkamp

Freie Universität Berlin

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