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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Unternehmen streben möglichst hohe Gewinne an. Diese Leitmaxime ist Grundlage des Wissenschaftsprogramms der BWL seit über 100 Jahren. Was Gewinn ist, wird im ersten Studiensemester gelehrt: Der ökonomische Erfolg von Unternehmen, und zwar als Überschuss ihrer Leistung zur Deckung von Bedarfen Dritter über die dafür im Faktorkombinationsprozess verzehrten Ressourcen hinaus.

Wie entsteht Erfolg? Durch Wettbewerbsvorteile, die aus der klugen Gestaltung realwirtschaftlicher Prozesse resultieren: „Companies make shoes, not money“, meinte schon Peter Drucker.1 Dafür ist es notwendig, (1) für den Unternehmenszweck im Geschäftsmodell strategisch und operativ zu konkretisieren, wer was wann wie und für wen produziert und verkauft, (2) dies zu organisieren bzw. durch Planung und Kontrolle zu steuern und (3) durch geeignete Formen der Mitarbeiterführung Motivation und Handlungsorientierung zu erreichen.

Wie lässt sich Erfolg messen? Die betriebswirtschaftliche Theorie nutzt dafür finanzielle Größen, hier Profit genannt: Als kurzfristiger Deckungsbeitrag der Erlöse über den variablen Kosten, als buchhalterisches Jahresergebnis nach Abschreibungen, Zinsen und Steuern oder als ökonomischer Gewinn, der dem Gegenwartswert aller Veränderungen künftiger Zahlungsströme eines Unternehmens entspricht.

Ist Profit die richtige Steuerungsgröße für die Lösung realwirtschaftlicher Gestaltungsfragen? Die Antwort lautet nein. Goodhart’s Law2 als betriebswirtschaftliche Variante der Lucas-Critique begründet das: Werden exogene Messgrößen als Steuerungsvariablen endogenisiert, verlieren sie ihre Aussagekraft für die ursprüngliche Messung. Dysfunktionalitäten in Controlling und Rechnungswesen wie Budgetspiele, Kurzfristdenken, Berichtsmanipulationen oder Bilanzskandale von Enron bis Wirecard belegen dies nachdrücklich.

Wer hat Anspruch auf den Profit? In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sind es die Eigentümerinnen und Eigentümer eines Unternehmens, die das Kapital für dessen Geschäftsbetrieb aufbringen. Denn die Unternehmensleistung ist zwar das synergetische Ergebnis der Kooperation mit allen anderen Stakeholdern. Deren Ansprüche sind aber vertraglich sowie prinzipiell erfolgsunabhängig vor der Ausschüttung an die Eigentümer zu begleichen. Diese erhalten das Residuum und tragen so das größte Risiko des Totalverlusts ihres Einsatzes. Dafür haben sie aber auch die Chance auf hohe Profite als Lohn unternehmerischer Initiative. Dabei gilt: In einer freien Gesellschaft belohnen Märkte nicht nur nach Meriten, sondern auch nach Zufall.3

Ist dieser Anspruch fair? Ja, wenn die Finanz- und Gütermärkte, auf denen sich Unternehmen und ihre Stakeholder bewegen, vollkommen und vollständig sind.4 Je weniger dies erfüllt ist, umso mehr fallen finanzieller Profit und ökonomischer Erfolg auseinander. Das Streben nach Profit birgt dann unmittelbar den Anreiz zur Ausbeutung ökologischer oder sozialer Ressourcen.

Lässt sich dieses Problem marktwirtschaftlich lösen? Zum Teil: Durch Marktdesign (z.B. CO2-Zertifikate) oder gesetzliche Regelungen (z.B. FCKW-Verbot). Aber das reicht allein nicht aus. Auch die betriebswirtschaftliche Erfolgsmessung und -steuerung als Teil der ‚sichtbaren Hand‘5 guter Unternehmensführung muss sich ändern: Durch geeignete Controllinginstrumente oder nichtfinanzielle Transparenz im Rahmen der ESG-Berichterstattung. Die Forschung hierzu gehört zum Kern einer modernen und der Zukunft zugewandten BWL.

Quellenangaben

Chandler, Alfred D. (1977): The visible hand. The managerial revolution in American business, Cambridge, Mass.

Drucker, Peter F. (1998): Peter Drucker Takes The Long View. In: Fortune, Sept 28, S. 162-173. 

Goodhart, Charles A.E. (1975): Problems of Monetary Management: The UK Experience. In: Reserve Bank of Australia (Hg.): Papers in Monetary Economics. Volume 1, S. 1-20.

Hayek, Friedrich August von (1996): Spontaneous ('grown') order and organized ('made') order. In: Thompson, Grahame (Hg.): Markets, hierarchies and networks. The coordination of social life, London, S. 293-301.

Jensen, Michael C. (2001): Value Maximization, Stakeholder Theory, and the Corporate Objective Function. In: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 14, Nr. 3, S. 8-21.

1 Vgl. Drucker, Peter F. (1998): Peter Drucker Takes The Long View. In: Fortune, Sept 28, S. 162-173, hier S. 170. Im Original lautet das Zitat: "Security analysts believe that companies make money. Companies make shoes."

2 Goodhart, Charles A.E. (1975): Problems of Monetary Management: The UK Experience. In: Reserve Bank of Australia (Hg.): Papers in Monetary Economics. Volume 1, hier S. 5: „…any observed statistical regularity will tend to collapse once pressure is placed upon it for control purposes”.

3 Vgl. Hayek, Friedrich August von (1996): Spontaneous ('grown') order and organized ('made') order. In: Thompson, Grahame (Hg.): Markets, hierarchies and networks. The coordination of social life, London, S. 293-301, hier S. 301.

4 Vgl. Jensen, Michael C. (2001): Value Maximization, Stakeholder Theory, and the Corporate Objective Function. In: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 14, Nr. 3, S. 8-21, hier S. 11: “… the short answer to the question is that 200 years’ worth of work in economics and finance indicate that social welfare is maximized when all firms in an economy attempt to maximize their own total firm value.”

5 Dieser Ausdruck wurde vom Wirtschaftshistoriker Alfred Chandler für die institutionellen Praktiken der betriebswirtschaftlichen Führung in Unternehmen und als Analogon zur vielzitierten ‚invisible hand‘ nach Adam Smith geprägt. Vgl. Chandler, Alfred D. (1977): The visible hand. The managerial revolution in American business, Cambridge, Mass.

Autorin

Barbara E. Weißenberger

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf / Bucerius Law School, Hamburg