Weiter zum Inhalt
Suchseite öffnen

Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Lange Zeit wurde der Begriff der Produktion auf die industrielle Sachgüterproduktion beschränkt. Hierfür waren insbesondere die drei folgenden Aspekte relevant:

  1. Die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre war zu großen Teilen deckungsgleich mit der Industriebetriebslehre, (teilweise wird betont, dass die in der Allgemeinen BWL verwendete abstrakte Unternehmung eine auffallende Ähnlichkeit mit einer Maschinen-fabrik aufweise), und
  2. Gutenberg (1951, 1979) verstand unter Produktion nur den 3-Faktoren-Fall (menschliche Arbeitsleistung, Betriebsmittel und Werkstoffe), während er beim 2-Faktoren-Fall (es fehlten die Werkstoffe) von Bereitstellung sprach.
  3. Güter wurden auf materielle Erscheinungsformen beschränkt. Einige Autoren stellten explizit klar, dass die BWL nur Sachgüter kenne. 

Als im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB) dann Anfang der 1970er Jahre erste Kommissionen für einzelne Spezielle Betriebswirtschaftslehren entstanden, wurde für die industrielle Produktion die Kommission Fertigungswirtschaft gegründet. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurde die Diskussion um den Produktionsbegriff intensiviert und jede Erstellung von Gütern zu Verbrauchszwecken als Produktion definiert. Durch die Einführung des externen Produktionsfaktors (der dann durch mehrere Oxymorone wie Prosumer, Cocreater, Edisumer umschrieben wurde), der aber bereits im 19. Jahrhundert in der Medizinsoziologie als System „Arzt-Patient-Situation“ (dreieckiges System der Situationstherapie) thematisiert wurde, wurde das enge Verständnis der Produktion in Frage gestellt. 

Bereits vor dieser Diskussion gab es in den 1960er Jahren einzelne betriebswirtschaftliche Fachvertreter, die erste Publikationen zur Produktion in einzelnen Dienstleistungsbranchen vorlegten (z. B. Versicherungen oder Banken, um nur einige zu nennen). Weitere Veröffentlichungen, die sich mit dem Erkenntnisbereich der Produktion und der Übertragbarkeit produktionswirtschaftlicher und -theoretischer Erkenntnisse auf ausgewählte Dienstleistungen beschäftigten, lösten dann in der Kommission Fertigungswirtschaft eine intensive begriffliche Diskussion zu einer Umbenennung der Kommission aus. Nach den Sitzungen der Kommission an den Universitäten Tübingen (1979), Mainz (1980) und zuletzt in Zürich (1980) wurde beschlossen, einem wirtschaftszweigindifferenten (funktionalen) Ansatz zu folgen und eine Umbenennung in „Kommission für Produktionswirtschaft“ vorzunehmen, umso produktionswirtschaftliche und -theoretische Gemeinsamkeiten und strukturgleiche Probleme aller Betriebswirtschaften zu behandeln. In der Folge wurden dann neben produktionswirtschaftlichen und -theoretischen Abhandlungen zu einzelnen Dienstleistungszweigen auch Abhandlungen veröffentlicht, die eine produktionstheoretische Verallgemeinerung für den gesamten Dienstleistungsbereich behandelten. Darüber hinaus wurden Entwicklungen angestoßen, die eine entscheidungsorientierte Sicht der Produktionstheorie verfolgten. Hierdurch wurde die Produktionstheorie maßgeblich bereichert. Dabei wurde der Begriff des Gutes entmaterialisiert (wie dies J. B. Say bereits 1803 formulierte) und Produkte als Problemlösungen interpretiert. Mittlerweile gehört der Begriff der Dienstleistungsproduktion wie selbstverständlich zur betriebswirtschaftlichen Terminologie und das Erkenntnisobjekt Dienstleistungsproduktion gehört zu einem wesentlichen Forschungsbereich in der produktionswirtschaftlichen und -theoretischen Analyse.
 

Quellenangaben

Corsten, H.; Gössinger, R.: Entwicklungslinien der Produktionstheorie, in: Ideengeschichte der BWL II, hrsg. v. W. Matiaske und D. Sadowski, Wiesbaden 2021 (im Druck).

Gössinger, R.: Dienstleistungen als Problemlösungen. Eine produktionstheoretische Analyse auf der Grundlage von Eigenschaften, Wiesbaden 2005.

Kern, W. (Hrsg.): Handwörterbuch der Produktionswirtschaft, Stuttgart 1979.

Autor

Hans Corsten

TU Kaiserslautern

Website