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Schlaglichter der BWL

Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB

Mit den demokratischen Unternehmen ist es in der deutschen BWL eigenartig bestellt. Es geht nicht um eine eigene Rechtsform, sondern um eine organisationale Beschaffenheit, bei der die Macht über Entscheidungen und Kapital eines Unternehmens nicht alleine bei den Eigentümern oder der Geschäftsführung liegen. Stattdessen werden diese mehr oder weniger dezentral auf die (bzw. alle) Beschäftigten eines Betriebs ausgeweitet. Darin zeigt sich ein unternehmerischer Sonderfall, der sich entweder auf immaterielle Beteiligung (z.B. in Form von Betriebsräten, Mitgliederversammlungen, aber auch partizipativer und geteilter Mitarbeiterführung) oder auf materielle Beteiligung von Beschäftigten an Unternehmen bezieht (z.B. Belegschaftsaktien).

Lange Zeit galt betriebliche Demokratie nicht als das Metier der BWL. Sie wurde an (linksorientierte) Politikwissenschaften, Arbeitssoziologie oder zu den industriellen Beziehungen „ausgelagert“. In den Modulbeschreibungen der BWL-Kurse lässt sich entsprechend wenig zu diesem Thema finden. Nicht einmal jene Elemente unternehmerischer Demokratie, die die gesetzliche Mitbestimmung bilden, werden in den BWL-Studiengängen deutscher Hochschulen angemessen adressiert (Allespach und Rudel 2021).

Lediglich die Forschung zu eingetragenen Genossenschaften, die qua Rechtsform einen Demokratieanspruch einzulösen haben, um das Prinzip „ein Mitglied – eine Stimme“ zu realisieren, stellt einen traditionellen, wenn auch Nischenbereich der deutschen BWL dar. Und das, obwohl die Genossenschaften zu den ersten Forschungsobjekten der deutschen Wirtschaftslehre gehörten, wie das sogenannte „Transformationsgesetz“ nach Franz Oppenheimer nahelegt. Anders als oftmals behauptet, hat Oppenheimer in seinen Schriften kein grundsätzliches Scheitern von Genossenschaften im kapitalistischen Umfeld vorausgesagt und es schon gar nicht als „Gesetz“ verstanden. Möglicherweise musste in der späteren BWL vielmehr der analytische Anspruch dem dogmatischen Wunsch weichen, Genossenschaften und verwandte demokratische Experimente grundsätzlich anzuzweifeln und als per se ineffizient darzustellen. Bis heute fristen Genossenschaften in der BWL ein marginalisiertes Dasein als umstrittener Sonderfall unternehmerischer Effizienz oder als Sonderaspekt der betrieblichen Steuerlehre. Ähnliches lässt sich im Übrigen auch von Unternehmen in Mitarbeiterhand sagen, die vor allem in den Jahren des „Kalten Krieges“ systematisch kritisiert oder belächelt wurden.

Erst die Finanzkrise von 2008, der steigende Innovationsdruck auf Unternehmen, aber auch akuter Fachkräftemangel haben zur Wiederentdeckung des Themas in der deutschen BWL geführt. Betriebliche Akteure und Forschende wollen in den demokratischen Unternehmen Potenziale erkennen, geeignete Bewerber:innen im Sinne eines „employer branding“ anzusprechen, sie zu höherer Produktivität zu motivieren und langfristig an das Unternehmen zu binden. Auch Konzepte wie agile Arbeitsteams oder Ideen des „New Work“, die auf dezentrale Entscheidungsstrukturen abstellen, tragen zur Popularisierung des demokratischen Unternehmens bei. Das Thema scheint wieder salon- und BWL-fähig. Wie denn sonst ist zu erklären, dass das Buch „Das demokratische Unternehmen“, 2015 gar zum „Managementbuch des Jahres“ gekürt wurde? Hoffentlich muss in dieser Euphorie der Wiederentdeckung der analytische Anspruch nicht erneut der normativen Dogmatik weichen. Und hoffentlich behält die BWL-Forschung einen differenzierenden und keinen herabsetzenden Blick auf die Bemühungen der unternehmerischen Demokratisierung, die nicht ohne zahlreiche Herausforderungen, Spannungen und Paradoxien auskommen.

Quellenangaben

Allespach, M., Rudel, M. (2021): Mitbestimmung – ein Thema für die Wirtschaftswissenschaften. Frankfurt: Bund.

Sattelberger, T., Welpe, I., Boes, An. (Hg.) (2015): Das demokratische Unternehmen. Freiburg: Haufe.

Autor:innen

Irma Rybnikova

Prof. Dr., Hochschule Hamm-Lippstadt

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Thomas Steger

Prof. Dr., Universität Regensburg

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