Schlaglichter der BWL
Klassiker, Ideen, Begriffe. Eine Auswahl des VHB
Schon Bertolt Brecht wusste, dass das mit dem Planen nicht immer so einfach ist: „Ja; mach nur einen Plan sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch einen zweiten Plan. Gehen tun sie beide nicht“. Ein wesentliches Problem bei der Planung von komplexen Prozessen besteht nämlich darin, dass viele Annahmen hinsichtlich des zukünftigen Geschehens nur geschätzt werden können und damit nicht sicher sind. Derartige Prozesse kennen wir sowohl aus dem realen Leben als auch in Unternehmungen. Beispiele für letzteres kann das Eintreffen einer Lieferung von benötigten Materialien oder das Auftreten zukünftiger Kundennachfragen sein.
Die effiziente Ausführung der auf Basis der geschätzten Daten ermittelten Pläne ist dann durch jede signifikante Abweichung von den unterstellten Daten gefährdet. Daher finden sich in jüngeren Forschungsarbeiten des Operations Research vielfältige Ansätze, die für derartige dynamische Prozesse eine adaptive Echtzeitsteuerung vorschlagen. Diese Steuerung erlaubt es, den bereits in der Ausführung befindlichen Plan hinsichtlich aller noch nicht realisierten Entscheidungen kontinuierlich zu verändern und so an die sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. Um dies zu ermöglichen werden die Entscheidungen erst dann an die ausführenden Einheiten übermittelt, wenn es erforderlich ist.
Dies setzt allerdings die Echtzeitfähigkeit der Systeme voraus. Hierzu müssen die Neuplanungen zeitgleich zur Planausführung erfolgen können. Um dies zu erreichen, werden unterschiedliche Konzepte vorgeschlagen. Da die Neuplanungen Zeit benötigen und nicht die Ausführung des zu ändernden Planes beeinträchtigen dürfen, beruhen diese Konzepte häufig auf der Idee, den Zeitablauf in einzelne, je nach Anforderung der Anwendung, zeitlich zu wählende kurze Abschnitte von wenigen Sekunden aufzuteilen. Innerhalb dieser kurzen Abschnitte werden die Entscheidungen des aktuellen Planes unveränderlich und zur Übermittlung an die ausführenden Stellen freigegeben. Wirken sich hier bereits die Veränderungen der Annahmen aus werden diese Entscheidungen mit Hilfe einfacher Regeln entsprechend korrigiert.
Alle nachfolgenden Entscheidungen können dagegen von speziellen Algorithmen gemäß der aktuellen Rahmenbedingungen und der verfolgten Zielsetzungen vollumfänglich angepasst werden. Dazu wird zu Beginn eines jeden neuen Abschnitts zunächst die Situation vorsimuliert, die sich am Ende des Abschnitts ergeben wird. Diese zukünftige Planungssituation wird anschließend für die Dauer des Abschnitts den eingesetzten Optimierungsverfahren zur Findung eines besseren Restplanes übergeben. Als sehr leistungsfähig haben sich für diese Aufgabe Metaheuristiken erwiesen.
Bei vielen Beispielanwendungen in Produktion und Logistik zeigte es sich, dass Zusatzkosten, die in Folge erster schneller Plananpassungen nach einer Abweichung auftraten, durch die nachfolgende kontinuierliche Verbesserung des Restplanes wieder aufgefangen werden konnten und auf diese Weise eine effiziente Prozessausführung erreicht wurde. In der Literatur finden sich zunehmend Arbeiten, die Verfahren des maschinellen Lernens dazu verwenden, die oben dargestellten rein reaktiven Ansätze durch pro-aktive Methoden weiter zu verbessern. Beispielsweise werden aus Vergangenheitsdaten Informationen für das Auftreten zukünftiger Aufträge gewonnen und in die Planermittlung integriert.
Literatur
Bock, S. (2010): Real-time control of freight forwarder transportation networks by integrating multimodal transports and multiple transshipments. European Journal of Operational Research 200 (3): 733-746. DOI: 10.1016/j.ejor.2009.01.046
Ferrucci, F.; Bock, S.; Gendreau, M. (2013): A proactive real-time control approach for dynamic vehicle routing problems dealing with the delivery of urgent goods. European Journal of Operational Research 225 (3): 130-141. DOI: 10.1016/j.ejor.2012.09.016
Pillac, V.; Gendreau, M.; Guéret, C.; Medaglia, A. L. (2013): A review of dynamic vehicle routing problems. European Journal of Operational Research 225 (1), 1-11. DOI: 10.1016/j.ejor.2012.08.015
Autor
Stefan Bock
Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Operations Research,
Universität Wuppertal