Fähigkeit zur Resilienz in Organisationen

Florian Maurer & Albrecht Fritzsche

Resilience in times of crisis is in many respects a core topic of business and
management research. Numerous papers exist that address the questions how organizations
can prepare for and react to different kinds of disruptions. The questions that need to be
answered now are (1) how can these achievements be made visible and (2) how can they make
a direct impact on crisis resilience – as it is needed right now and will further be needed in the
future. In this essay, we argue that the key to answering these questions is to strengthen the
scientific core of the discipline: the ability to generate, challenge, revise and expand knowledge
and the exchange between scholars in academic discourse. Furthermore, we advocate a
comprehensive model for crisis resilience that combines insights from different sub-domains
of our discipline. We show how such a model can look like on the example of a Strategic
Management Framework for Engineering of Organizational Robustness and Resilience, which
brings together extant work on dynamic capabilities, service engineering and risk management.

 

Der nächste Schock kommt bestimmt

Barbara Weißenberger und Utz Schäffer

Kernthese des am 13. Juli 2020 in der FAZ veröffentlichten Artikels: Systemische Krisen wie die COVID-19-Pandemie sind „graue Schwäne“, treten mithin öfter auf, als man denkt. Traditionelle Instrumente aus den Bereichen Compliance- und Risikomanagement bereiten nicht darauf vor, systemische Krisen zu bewältigen. Unternehmen müssen vielmehr Slack im Sinne von organisationaler und intellektueller Flexibilität entwickeln, um agil auf unerwartete Herausforderungen zu reagieren und die notwendige Resilienz herauszubilden.

Krisen durch proaktives Entscheiden vermeiden

Johannes Siebert

Automationsgerechte Gesetzgebung

Peter Mertens

Anzustreben ist automationsgerechte Gesetzgebung, z. B. durch Verzicht auf zu viele Ermessens­spielräume („…entscheidet der Sachbearbeiter“, „…Strafe nicht unter zwei Jahren…“), die maschinelle Entscheidungen bzw. Dispositionen erschweren oder unmöglich machen. Bei der Prüfung von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien auf den resultierenden Verwaltungsaufwand in den Unternehmen und auf den Bera­tungsbedarf seitens der Bürger, v. a. durch den Normenkontrollrat (NKR), sind Fortschritte zu verzeichnen. Jedoch wird bemängelt, dass der NKR zwar bewertet, ob neue Gesetze zum Bürokratieabbau beitragen, aber keine eigenen Verbesserungsvorschläge unterbreitet.

Die im Rahmen des „Corona-Konjunkturpaketes“ im Juni 2020 beschlossene befristete Senkung der Mehrwertsteuer gilt wegen ihrer vielfältigen Auswirkungen in der Integrierten Informationsverarbeitung, z. B. auf Kalkulation, Vertragsgestaltungen, Fakturierung, Ladenkassen und die Steuerübermittlungs-Software Elster, auf Unternehmensebene nur mit Risiken oder gar nicht termingerecht programmierbar. Der   Beratungsbedarf ist hoch.

Ein zweites Beispiel ist die Grundrente, die trotz Bedenken so ausgestaltet wurde, dass der Instanz, die in Zukunft die Ansprüche auf Grundrente prüfen und entscheiden wird, sehr unterschiedliche Informationen aus diversen Quellen automatisch zugeliefert werden müssen. Dies zu realisieren dürfte viel Zeit verschlingen, sodass die Rente möglicherweise nur verspätet gezahlt werden kann.

Durch ungeschickte Organisation von Reformprojekten werden den Bürgerinnen und Bürgern unnötige Zuträgerdienste bei Daten auferlegt. Der Normenkontrollrat hatte moniert, dass im Zuge der aktuellen Grundsteuerreform in ein Formular der Bodenrichtwert eingetragen werden muss. Diesen können sich die Steuerpflichtigen zwar online beschaffen, aber die Staatsverwaltung als Ganzes besitzt die Zahl schon.

Gewisse Parallelen ergeben sich zur Kontrolle, ob ein Gesetz verfassungskonform ist, durch die Rechtsabteilun­gen der Ministerien oder durch Beratungsgremien. Das Pendant dazu könnten Prüfungen auf Automationsgerechtigkeit durch Betriebswirte (etwa Vertreterinnen und Vertreter der Teildisziplinen Steuerlehre, Wirtschaftsprüfung, Wirtschaftsinformatik), ggf. in Kooperation mit Juristen und Rechtsinformatikern, werden.

Ich musste in den 60er-Jahren als Mitarbeiter einer Unternehmensberatung einmal prüfen, ob ein Gesetzestext zur Umsatzsteuer bei grenzüberschreitenden Geschäften einer Vollautomation der Fakturierung von Exportverkäufen im Wege stand. Dazu hatte ich diese Vorschriften programmiert. Es stellte sich nicht nur heraus, dass dies damals äußerst umständlich war, sondern auch, dass das neue Gesetz einen Widerspruch enthielt. M. a. W.: Es wäre eine Teillösung des Problems „Mangelnde Automationsgerechtigkeit“, alle neuen Gesetze in einem frühen Stadium der “Programmierbarkeitsprüfung“ zu unterziehen.

 

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Entflechtung, Zurückführung und Stabilisierung von internationalen Lieferketten und -netzen

Peter Mertens

Gegenwärtig erkennt man an der Corona-Pandemie, wie fundamental die Auswirkungen auf Unternehmen sein können. Vor zwei Jahren hätte man sich wohl noch nicht vorstellen können, dass jetzt an sehr vielen Stellen darüber diskutiert wird, ob und wie die weltweiten Lieferketten und –netze der deutschen Industrie, die über Jahrzehnte entstanden sind und meist mit komplizierteren Verflechtungen einhergehen, zurückentwickelt werden sollten. In einer großen Tageszeitung war zu lesen: „Ökonomen für neues deutsches „Geschäftsmodell““.

Tangiert sind nicht nur die Produktionsbetriebe im deutschsprachigen Raum, sondern auch Logistik-Unternehmen (z. B. Frachtschifffahrt, Häfen), internationaler Handel, Finanzinstitute, Steuerberater). Auch staatliche Verwaltungsinstanzen und Gesetzgeber auf mehreren Ebenen (EU, Deutschland) müssen sich mit der Thematik befassen.

Während der ersten Überlegungen und konkreteren Planungen treten Bedarfe an Entscheidungsunterstützungs-Methoden-Daten auf. Zu denken wäre an einen großen „Werkzeugkasten“ (Entscheidungsunterstützungssystem/EUS), der aus den beiden Teilen Methodenbank und Datenbank besteht.

In der Methodenbank müssten sehr umfangreiche Sammlungen von Verfahren zur Modellierung der Ausgangslage und von aus den Diskussionen hervorgehenden Alternativ-Lösungen, zur Simulation, zu Prognosen (Sensitivitätsanalyse/„What-if“ und Zielrechnungen/“How-to-achieve“) sowie zu Investitionsrechnungen unter Unsicherheit abgelegt sein.

Die Dispositions- und Optimierungsrechnungen zum Management von Liefernetzen und –ketten (Supply Chain Management) werden in BWL (Logistik) und Wirtschaftsinformatik schon seit Jahrzehnten erforscht; dementsprechend ist auch bei den Software-Paketen eine gute Grundlage gegeben, z. B. mySAP SCM/APO. Was Funktionsumfang und Komplexität derartiger Hilfsmittel angeht, wären freilich Erweiterungen notwendig, ebenso Module, die die unmittelbare Verwendung in Gruppen, etwa Vorstands- und Aufsichtsrats-Gremien, erleichtern (z. B. Umwandlung von Ergebnissen in Form von Zahlen in Grafiken unter Angabe von möglichen Schlussfolgerungen (Diagnose, Therapie-Prognose)).

Weniger fortgeschritten scheint die Entwicklung der sehr umfangreichen und differenzierten Datenbanken, die für derartige EUS erforderlich sind, damit man sowohl die Berechnungen als auch subjektive Einschätzungen mit Daten bzw. Informationen versorgen kann.

Die Herausforderung resultiert aus der Vielschichtigkeit und aus der nur geringen Homogenität des Informationsbedarfs ebenso wie aus der Vielfalt der möglichen Quellen. So würden z. B. zu den Standorten von neu zur Diskussion stehenden Lieferanten Informationen über das Rechtssystem, die Sicherheitslage (Kriminalität), die Steuern, Zölle und Subventionen, die Zugehörigkeit zu Wirtschafts- und Währungsverbünden, die politische Stabilität, die Verkehrslage und die Verkehrsverbindungen, die lokalen Absatzmärkte, die Entwicklung des Arbeitskräfte-Potenzials und das damit in Zusammenhang zu sehenden Bildungssystems vorzuhalten sein.

Entsprechend vielfältig bzw. interdisziplinär müsste die Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Prototypen und Systemen sein. In Frage kommen (in alphabetischer Folge) Betriebswirte, Bevölkerungswissenschaftler, Geografen, Informatiker, Ingenieure, Juristen verschiedener Spezialisierungsrichtungen, Politiker/Politologen, Steuerberater, Wirtschaftsinformatiker, Wirtschaftsingenieure. 

In der BWL und in der Wirtschaftsinformatik sind viele Bausteine zum skizzierten Konzept vorhanden, jedoch würde es Mut zu einem neuen Entscheidungsunterstützungssystem brauchen, das freilich nicht in kurzer Zeit und nur in großräumigen interdisziplinären Forschungsprojekten entwickelt werden könnte.

 

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We Are Open: Flatten the Curve, not your Business

Lukas Moschko mit Kolleginnen und Kollegen

Worum geht es bei We Are Open? Die Coronakrise war und ist für viele Unternehmen der Anlass, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Die Gründe dafür waren oft ähnlich und auch die umgesetzten Änderungen ließen sich in Form von Geschäftsmodell-Pattern darstellen. Wir möchten auf unserer Plattform Unternehmen die Möglichkeit bieten, krisensichere Geschäftsmodelloptionen zu finden, aber auch eigene Geschäftsmodell-Pattern mit anderen zu teilen und die Umsetzung von Geschäftsmodellinnovationen gemeinsam mit Lessons-learned zu diskutieren.

Die aktuelle Version unserer Plattform sowie detailliertere Informationen finden sich unter www.weareopen.business. Die oben verlinkte Präsentation enthält weitere Hintergrundinformationen und Erklärungen zu unserer Initiative.

Besuchen Sie auch die Crowdsourcing-Challenge des Projekts mit sehr spannenden Preisen zur Findung neuer Geschäftsmodellmuster!

Wir sind acht Doktoranden des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement der RWTH Aachen. Wir haben We Are Open im Rahmen des WirVsVirus-Hackathons der Bundesregierung im März gestartet. Auch im Anschluss an den Hackathon verfolgen wir diese Idee weiter, wobei wir auch von unserem Vorgesetzten Prof. Frank T. Piller unterstützt werden. In unserer Forschung befassen wir uns mit unterschiedlichen Theorien und Ansätzen der BWL, wie Geschäftsmodellinnovationen, Crowdsourcing, organisationalem Wandel, offenen Innovationsökosystemen u.v.m.. 

Von der "einhändigen" zur "beidhändigen" Ausrichtung von Organisationen

Malte Busch, Daniel Thorpe und Marion Weissenberger-Eibl

Entrepreneurship in Times of Crisis

Ann-Carolin Ritter mit Joana Langemeier, Antonia Hoffmann und Theresa Treffers

Wie unterscheiden sich Startups, warum brauchen wir sie in der Krise und welche Punkte sollten sie nicht aus dem Blick verlieren? 

Beitrag der BWL zur erfolgreichen Lösung großer Krisen

Expertinnen und Experten des TRR 266 Accounting for Transparency

DFG-gefördertes Netzwerk erforscht gesellschaftliche Herausforderungen

Ali Aslan Gümüsay mit Emilio Marti, Hannah Trittin-Ulbrich und Christopher Wickert

Das DFG-Netzwerk “Grundlegende gesellschaftliche Herausforderungen und neue Formen des Organisierens” befasst sich mit Themen sozialer oder ökologischer Natur, die der koordinierten und kollektiven Bewältigung durch Unternehmen, Staaten, Zivilgesellschaft und Wissenschaft bedürfen.

Die Bekämpfung von Problemen wie globaler Armut, COVID-19, dem Klimawandel oder der Verbreitung von im Rahmen der Digitalisierung entstandenen prekären Arbeitsbedingungen ist von zentraler Bedeutung für Forschung und Praxis. Gleichzeitig bieten neue, digitale Technologien und Herangehensweisen die Möglichkeit, die Bewältigung von Grand Challenges in neuer, also in flexibler, temporärer oder fluider Form anders zu organisieren. Allerdings steht eine umfassende theoretische Auseinandersetzung über die Zusammenhänge zwischen neuen Formen des Organisierens und Grand Challenges noch aus.

Das Netzwerk befasst sich daher aus betriebswirtschaftlicher, insbesondere organisationswissenschaftlicher Perspektive mit zwei zusammenhängenden Forschungsfragen. Die erste Frage lautet dabei: Wie stehen neue Formen des Organisierens und Grand Challenges in Beziehung zueinander? Der Anspruch, die Wechselwirkungen zwischen den zwei Phänomen anhand dieser Frage zu theoretisieren, stellt jedoch aufgrund des folgenden Spannungsverhältnisses eine besondere Herausforderung dar: Einerseits können verschiedenartige neue Formen des Organisierens nur angemessen erfasst werden, wenn die Forschung einen hohen Grad an Pluralismus bei Theorien und Methoden zulässt. Andererseits erfordern klare Handlungsempfehlungen für die Praxis einen gewissen Konsens innerhalb der Forschungsgemeinschaft. Die zweite Forschungsfrage, die das Netzwerk anleitet lautet somit: Wie kann die betriebswissenschaftliche Forschung zu neuen Formen des Organisierens trotz Theorien- und Methodenpluralismus konsistente Handlungsanweisungen geben?

Um die Sichtbarkeit der betriebswissenschaftlichen Disziplin und des Netzwerkes zu erhöhen, treten wir in Interaktion mit Politik und Praxis. So haben wir bereits Vertreter*innen wie Jürgen Trittin und Bernd Ulrich zu unseren Treffen eingeladen und organisieren eine Paneldiskussion auf der EGOS 2020 u.a. mit der Bestseller-Autorin Maja Göpel. Wir nutzen auch soziale Medien und schreiben Blogposts, um unsere Ergebnisse in der Gesellschaft zu teilen. 

Wirksam durch die Krise

Manuel Reppmann und Laura Marie Edinger-Schons

Fiktion: Eine außergewöhnliche Option für die Erforschung von organisationalen Extremsituationen

Kijan Vakilzadeh und Peter Eberl

Terrorismus, Kriege, Umweltkatastrophen, Finanzkrisen oder allgegenwärtig Covid-19 – das 21. Jahrhundert hält für Unternehmen jeglicher Größenordnung eine Vielzahl an Bedrohungen bereit. Da universelle Krisen nicht nur ein spezifisches Unternehmen oder eine Branche betreffen, ergibt sich für das einzelne Unternehmen eine unberechenbare Dynamik. Nicht nur die eigentlichen Auslöser der Krise, sondern auch das daraus resultierende Handeln anderer Unternehmen und Organisationen trägt zu dieser Dynamik bei. Aus unternehmerischer Sicht stellt sich die Frage, ob und wie das eigene Unternehmen sich auf solche Dynamiken und die damit einhergehenden unvorhergesehene Bedrohungen vorbereiten und im Falle des Eintretens reagieren kann.
Die betriebswirtschaftliche Forschung versucht diese Frage aktuell vor allem mit dem Konzept der Organisationalen Resilienz zu adressieren. Resilienz, also die Fähigkeit auf Krisen so zu reagieren, dass das Unternehmen zumindest nicht geschwächt aus jenen Krisen hervorgeht, hat in der betriebswirtschaftlichen Forschung in den letzten Jagen große Aufmerksamkeit erlangt. Der Ansatz verspricht viel, doch die Frage nach der Entstehung und gezielten Entwicklung von Resilienz bleibt relativ unklar. Dies hat vor allem mit methodischen Problemen zu tun. Wie soll Forschung überhaupt vor dem Entstehen unberechenbarer Krisen geschehen? So stellt sich einerseits die Frage nach dem Moment solcher Krisen. Wann tritt eine Krise ein, wie lange dauert sie an? Zynisch gesprochen benötigt der Forschende „Glück“ zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um nicht darauf angewiesen zu sein retrospektiv zu forschen. Retrospektiv mögen die Erfolgsrezepte der Überlebenden anders aussehen als noch zu Beginn der Krise.
Letztlich ist dies aber nur ein kleineres Problem im forscherischen Umgang mit Krisen. Viel gewichtiger ist es, überhaupt einen Eingang in die Praxis zu finden. So gestaltet es sich entsprechend schwierig Ansprechpartner zu finden, die inmitten einer Krise den „Kopf“ haben Forschung zu unterstützen. Doch auch wenn der Eingang in die Praxis gefunden ist müssen Forschende darauf Acht geben, dass Krisen (und Extremsituationen im speziellen) mit Gefahren für die Beteiligten einhergehen. Diesbezüglich darf ungeachtet der eigenen Forschung nicht vergessen werden, dass unter Umständen und je nach Krise das eigene Leben in Gefahr sein könnte.
Wie soll nun Forschung vor dem Hintergrund solch methodischer Problemlagen vonstattengehen? Wie kann die betriebswirtschaftliche Forschung gewährleisten, dass einerseits die Forschung vorangetrieben wird und andererseits die Praxis in Bezug auf den Umgang mit Krisen lernen kann? Unser Vorschlag klingt so verrückt wie einfach: Fiktion!
Sobald der forscherische Einzug in reale Gegebenheiten nicht mehr oder nur sehr schwer möglich ist, können sich Forschende auf eine Bandbreit von fiktiven Geschehnissen stützen. Was auf den ersten Blick unwissenschaftlich klingt, ist auf den zweiten Blick die Möglichkeit, Anreize für die betriebswirtschaftliche Reflexion einer außergewöhnlich bedrohlichen und dynamischen Situation zu gewinnen. Und so abwegig ist die Betrachtung und Analyse von fiktivem Material heutzutage nicht mehr wie einige Publikationen aus dem Bereich der Organisationsforschung zeigen.
Nehmen wir „The Walking Dead“. Eine Geschichte von Überlebenden in einem postapokalyptischen Amerika, nachdem eine Seuche die Bevölkerung in menschenfressende Zombies verwandelt hat. Im Hinblick auf Covid-19 ist die Vorstellung einer weltweiten Seuche in gar nicht so weite Ferne gerückt (mit Ausnahme des Verspeisens von anderen Menschen). Was wir damit ausdrücken wollen ist, dass eine solche fiktive Welt, wie die von „The Walking Dead“ nicht vollständig abwegig ist. Die wenigen Überlebenden in der Serie versuchen gemeinsam, gegen die menschenfressenden Zombies vorzugehen. Dabei müssen sie zusammenhalten, aber auch gegen andere feindliche Gruppierung im stetigen Kampf um Ressourcen antreten. Die Analyse von „The Walking Dead“ kann uns somit beispielsweise viel über das agieren von Gruppierungen in absoluten Extremsituationen lehren. Warum verhalten sich zum Beispiel Akteure im Rahmen einer Zombie-Apokalypse dysfunktional und nicht im Sinne des eigenen Teams. Das Verhalten der Akteure ist dabei nicht vollständig losgelöst von der Realität. Die Autoren einer solchen Serie beschreiben und schreiben die Akteure in solch einer Form, dass ihr Verhalten dem geneigten Zuschauer als weitestgehend plausibel erscheint. Nicht wenige von uns betrachten somit eine solche TV-Serie und bestätigen innerlich, dass ihr eigenes Verhalten in solch einer Situation nicht unbedingt abweichen würde.
Sollte die Analyse einer Zombie-Apokalypse doch zu abwegig erscheinen, so lassen sich viele weitere Beispiele finden. Wie überkommen die Protagonisten in „Es“ die Bedrohung durch Pennywise, was lehrt uns Tony Soprano in „The Sopranos“ über das Management einer Mafia-Organisation, oder inwiefern lassen sich Erkenntnisse über dysfunktionales Team-Verhalten durch die Analyse von Horrorfilmen ableiten, in denen die Protagonisten regelmäßig versterben? Der Forschende muss lediglich eine für die Beantwortung der eigenen Frage 
passende Fiktion finden und gemäß den Standards wissenschaftlichen Arbeitens analysieren und auf reale Begebenheiten und Empfehlungen transferieren. Die einzige Bedingung: Die Fiktion muss genügend Anreize zur betriebswirtschaftlichen Reflexion liefern.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil einer solchen Herangehensweise an Extremsituationen ist zudem die Übertragbarkeit in die Praxis. Die meisten von uns werden eines oder mehrere der oben genannten Beispiele kennen. Die entwickelten Ableitungen und Praxisempfehlungen für das Verhalten in Extremsituationen gewinnen dadurch an Plausibilität für die Betrachter. Für die betriebswirtschaftliche Forschung ist dies eine großartige Ausgangslage. Mit Fiktion eröffnet sich nicht nur eine Fülle an zu analysierendem Material, sondern Forschung wird zudem plastischer, abwechslungsreicher und unter Umständen auch spannender für andere Forscher, Praktiker und Studierende. Dieses neu gewonnene Verständnis kann daraufhin Einzug in den Alltag halten. Sobald die Attraktivität von Fiktion zur Beantwortung relevanter Fragen bekannt ist, wird der Konsum von Filmen, Serien oder Büchern mit einem anderen Auge gesehen.Fiktion wird nicht mehr ausschließlich zum Zeitvertreib konsumiert, sondern kritisch hinterfragt. Warum agieren die Akteure so und nicht anders? Warum überlebt die eine Gruppierung und warum stirbt die andere? Wieso agiert die betrachtete Organisation oder das betrachtete Team so und nicht anders im Hinblick auf die beschriebene Krise?
Mit Hilfe einer solch außergewöhnlichen Herangehensweisen kann die betriebswirtschaftliche Forschung nicht erreichen, dass universelle Krisen für Unternehmen nicht zur existentiellen Bedrohung werden. Jedoch stellt die Analyse von Fiktion einen alternativen Weg dar, mögliche Faktoren für einen besseren Umgang mit Extremsituationen identifizieren zu können. Die Frage, wie sich letztlich eine Organisationale Resilienz entwickeln lässt, kann dadurch neue Impulse erhalten. Und nicht nur das. Der Transfer in die Praxis verspricht kurzweiliger und auch überzeugender zu sein. Nichts ist so spannend wie eine gute Geschichte, sei sie real oder fiktiv. 
 

Foto: Florencia Viadana auf Unsplash

Risiko- und Notfallmanagement in der Krise

Jutta Geldermann

Das Familienerbstück

Katharina Stolz und Thomas Schuetz

Das Familienerbstück: Begleittext

Der Beitrag widmet sich der Vermittlung von zwei zentralen Narrativen des Strukturwandels in der deutschen Uhrenindustrie. Nach 1945 war die Uhrenindustrie sowohl in Ost-, als auch in Westdeutschland eine wichtige Branche mit einem erheblichen gesamtwirtschaftlichen Gewicht und einer starken Exportorientierung. Seit Mitte der 1970er Jahre kam es zu tiefgreifenden markt-, technologie- und wirtschaftsinduzierten Umbrüchen und Krisen. So kam es in Westdeutschland zu einer ersten Globalisierungskrise durch das Auftreten neuer Wettbewerber aus Japan und den USA und einer Nachfragesättigung im Uhrenmarkt. Die ostdeutsche Uhrenindustrie wurde durch die Innovations- und Ressourcendefizite der Zentralverwaltungswirtschaft gehemmt.  Weiter haben industriespezifische Entwicklungen wie die Verwendung von Kunststoff in der Uhrenherstellung oder auch die Nutzung neuer Technologien wie die Quarztechnologie die Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Diese Umbrüche führten in der Bundesrepublik und der DDR zu einer branchenbedrohenden Krise, die sich durch die Privatisierung der zuvor verstaatlichten Uhrenhersteller im Rahmen der Transformationskrise nach 1989/1990 zuspitzte. Das erste Narrativ zeigt somit die Krise auf und

 

verdeutlicht, dass für den Nachwende-Zeitraum das klassische West-Ost-Paradigma nicht bestätigt werden kann. Insbesondere am traditionsreichen Standort in Glashütte in Ostdeutschland kam es zu einer partiellen Wiederbelebung der Uhrenindustrie im Hochpreis-/Luxussegment. Zentral für die gelungene Krisenbewältigung in Ostdeutschland ist das Anknüpfen an Kompetenzen in der mechanischen und handwerklichen Uhrenherstellung. Zudem wird die Marke Glashütte und die deutsche Herkunft ("Made in Germany") im Kollektiv durch die Manufakturen vermarktet. Das Comic zeigt auf, dass sich Hersteller in einigen Branchen, wie der Uhrenindustrie, innovieren, sich neu erfinden und im Markt neu positionieren müssen, um erfolgreich bestehen und eine Krise bewältigen zu können. Das zweite Narrativ zeigt, dass sich die Bedeutungszuschreibung einer Technologie bzw. eines Objektes für Konsumentinnen und Konsumenten über die Zeit verändert und Unternehmen ihr Portfolio und ihre Marketingstrategie entsprechend ausrichten und anpassen müssen. Die Form eines Comics wurde gewählt, da neuere Untersuchungen den didaktischen Nutzen unkonventioneller Vermittlungswege sowie deren Anschlussfähigkeit an etablierte Konzepte der Wissenschaftsvermittlung aufzeigen.  

Begleittext als pdf

Marketing und Corona. Mehr als Bierwerbung!

Marko Sarstedt

Laut-Sprecher

Fabiola Gerpott

Betriebswirtschaftler stehen selten im Labor
Schon gar nicht als BWL-Professor.
Doch was macht eigentlich die Professorenschar
Die nun auch ganz unmittelbar
Von den Folgen der Krise betroffen war?

Die Regierung betitelt sie schnell als systemrelevant
Während die Professoren selbst noch gebannt
Auf die Computer-Bildschirme starrten
Und auf die neusten Videotools warten.

Der Grund dafür, der ist schnell klar:
Online-Lehre ist der neue Star!
Zwischen den vielen Zoom- und Skype-Versuchen
Probiert der Professor nicht zu viel zu fluchen.
Das Semester hat schon längst gestartet
Und die erste Vorlesung, die wartet.

Die Studis nehmen alle dran teil,
sind aber von technischen Defekten nicht frei.
Als die Kamera vom letzten endlich läuft
Legt sich der Professor voll ins Zeug.
Begeistert wird die Marktwirtschaft erklärt
Und keine Nachfrage verwehrt.

Die Studis aber, die bleiben stumm
Der Professor fragt sich kurz warum
Um dann aber nicht lang zu warten
Und sich lieber mit dem Team zu beraten.
Gemeinsam findet man die Ursache schnell
Und verkündet dann auch offiziell:
Der eigentliche Grund der Ruhe lag darin,
Des Professors Lautsprecher waren dahin.

Neben dem ganzen Lehrvergnügen
Braucht man überhaupt nicht lügen
Wenn man die klare Aussage wagt
Dass sich der Professor auch mit anderen Dingen plagt.
So wird sich informiert von früh bis spät
Was in den neusten wissenschaftlichen Erscheinungen steht.

Während der ganzen Denkerei
Entsteht die Corona-Kugel schnell nebenbei
Sie fragen sich was das wohl ist?
Fehlende Bewegung ist auch für Professoren Mist.
Ewig dieses Rumgehänge!
Da kommt man viel zu wenig in die Gänge.
Der Bauch sowie das Hüftgold wächst
Dem Professor kommt’s vor wie verhext.

Es ist genug zu den Begleiterscheinungen gesagt
Kommen wir dazu, was sich vermutlich jeder fragt
Bezüglich des Krisenbeitrags der BWL-Wissenschaft:
Ist sie hinter den Lockdown-Lockerungen die treibende Kraft?

Die Antwort darauf ist schwer zu geben
Doch ganz sicher kann man belegen
dass Mundschutz nicht gleich Maulkorb heißt
Und auch wenn der Wirtschaftswissenschaftler selten beißt
Die Zunft doch ihre Meinung benennt
In diesem gesellschaftlichen Sozialexperiment.

Zum Glück, denn so viel sei gesagt:
In Zeiten von fake news und Schlagzeilen-Jagd
Sollten Vorbilder evidenzbasierte Aussagen wagen
Um ihrer Rolle voll Rechnung zu tragen.

So ist es ein zentraler Bestandteil der Systemrelevanz
dass auch mal jemand meinungstechnisch aus der Reihe tanzt.
Wir brauchen tiefe, aber nicht stille Gewässer,
Ein Lob auf den lauten BWL-Professor!

Alles bleibt so, wie es ist!

Karl-Heinz Moritz und Georg Stadtmann

Organizing in Times of Crisis

Elke Schüßler mit Kolleginnen und Kollegen