Call for Papers: Ethische Herausforderungen der Digitalisierung - Jahrestagung 2020 der WK WEW


Kommission Wissenschaftstheorie und Ethik in der Wirtschaftswissenschaft im VHB

Jahrestagung 2020
im Rahmen der VHB-Jahrestagung

20. März 2020

Goethe-Universität Frankfurt a.M.

Ethische Herausforderungen der Digitalisierung

Die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die unter dem Stichwort „Digitalisierung“ zusammengefasst werden, sind ausgesprochen vielfältig. Grundsätzlich beziehen sie sich einerseits auf die bloße Quantität der Daten, die von elektronischen Systemen verarbeitet werden können und andererseits auf die Art und Weise dieser Verarbeitung, die zunehmend bestimmte Aspekte des „Lernens“ umfasst und insofern als „intelligent“ bezeichnet wird (künstliche Intelligenz, KI). Diese Aspekte beruhen dabei auch auf den Möglichkeiten der dezentralen Anordnung und spezifischen Vernetzung einer großen Menge von Daten und Datenverarbeitungssystemen, die wiederum über erweiterte Mensch-Maschine-Kommunikationen zuletzt menschliche Subjekte in vielfältiger Weise in den digitalen Raum einbinden.

In den wirtschaftlichen Anwendungsmöglichkeiten dieser technischen Möglichkeiten liegen große Chancen und auch große Gefahren. Die Nutzung praktischer digitaler Hilfsmittel wie Navigations-, Kommunikations- oder Gesundheits-Apps eröffnet über die datengetriebene Durchleuchtung von Alltagsleben, Sozial- und Kommunikationsverhalten scheinbar ungeahnte Möglichkeiten der Prognose und Steuerung bzw. Manipulation menschlichen Lebens, aber auch der Kooperation (vgl. big data, blockchain, agile Entwicklung, etc.). Welche ethischen und/oder rechtliche Grenzen sind aber zu ziehen, wenn z.B. im Rahmen einer agilen Entwicklungsstrategie digitale Risiken und Nebenwirkungen bewusst auf den Nutzer allokiert werden, oder wenn die kommunikative Technik des framing mit KI und einem social bot kombiniert wird, um Kommunikationen in sozialen Netzwerken so zu manipulieren, dass „alternative Fakten“ in einer digitalen „Realität“ entstehen?

Zugleich schaffen Menschen lernfähige Entscheidungsalgorithmen bzw. KI, deren „Entscheidungsfreiheit“ von uns vorprogrammiert wird. Damit stellen sich grundsätzlich neuartige ethische Probleme, da wir uns auf bestimmte Gestaltungs- bzw. Programmierungsparameter und damit Freiheitsoptionen von KI festlegen müssen (machine ethics und Algorithmenethik). Zudem stellt sich weiterhin die klassische Frage nach der Verantwortung für komplexe „autonome“ Systeme, deren Entwicklung, Betrieb und Nutzung auf eine Vielzahl von Akteuren verteilt ist (Beispiel: autonomes Fahren). Schließlich stellt sich in letzter Konsequenz die Frage, ab welchem Grad von Freiheitsimitation durch KI wir bereit wären, den materiellen Trägern von KI den Status von im engeren Sinne autonomen Systemen respektive nicht-menschlichen Akteuren oder gar Personen zuzusprechen.

Aus diesen Andeutungen und Stichworten ergeben sich zwei Fragerichtungen für die Jahrestagung: Einerseits soll es um anwendungsorientierte Fragen nach den notwendigen Rahmenbedingungen und der ethischen Gestaltung einer digitalen Wirtschaft gehen. Andererseits soll die Jahrestagung aber auch Raum geben, um konzeptionelle und theorieorientierte Fragen über die Notwendigkeit einer Neu- bzw. Weiterentwicklung der Ethik für digitale Entwicklungen zu diskutieren.

Für diesen bewusst weitgespannten Rahmen sind Beiträge mit wirtschafts- und/oder unternehmensethischem Bezug willkommen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung aus interdisziplinärer, philosophischer und/oder spezifisch sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive nähern. Für Vorträge in deutscher und englischer Sprache sind jeweils 30 Minuten Vortragszeit und 20 Minuten Diskussion vorgesehen. Vortragsexposés (3 Seiten) werden erbeten bis zum 03.11.2019 an georg.trautnitz@andrassyuni.hu und einer Auswahl unterzogen. Die Entscheidung über eine Annahme wird bis zum 25.11.2019 mitgeteilt.