Ethik in der Betriebswirtschaftslehre
Ausgangssituation
Fragwürdige Verhaltensweisen einiger Führungskräfte der Wirtschaft haben, jenseits einer juristischen Aufarbeitung der speziellen Fälle, ganz allgemein einen erheblichen Verlust an Vertrauen in die Leistungsfähigkeit sowie in die moralischen Qualitäten unternehmerischen Managements verursacht. Damit ist auch die betriebswirtschaftliche Lehre und Forschung in den Fokus gesellschaftsweiter Debatten über Führungsversagen als Ursache der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise gerückt. Die Disziplin ist nicht direkt verantwortlich für Verfehlungen von einzelnen Personen oder von Institutionen, aber gleichwohl hat sie sich der Diskussion zu stellen, ob z.B. Mängel in der Ausbildung oder ein zu unkritischer Umgang mit Forschungsparadigmen zu den Fehlentwicklungen beigetragen haben.
Länderübergreifende Aktivitäten
Internationale Organisationen, z.B. die Academy of Management, haben bereits seit längerer Zeit einen "Code of Ethics" formuliert, dem die Mitglieder jeweils verpflichtet sind.
Von den Vereinten Nationen wird die Umsetzung der "Principles for Responsible Management Education" (PRME; siehe Anhang) unterstützt. Diese Prinzipien werden von Institutionen aus aller Welt gefördert. Darunter sind u.a. einige deutsche Hochschulen sowie Akkreditierungsinstitutionen. Die PRME sind allgemein gehaltene Richtlinien, in denen unternehmens- und wirtschaftsethische Dimensionen der Beziehungen von Hochschulen zu ihren Stakeholdern angesprochen werden. Bezüglich der Umsetzung der PRME sind die Hochschulen dazu aufgefordert, den für sie in der jeweiligen Situation besten gangbaren Weg zu finden.
Bedeutung ethischer Fragen für die Betriebswirtschaft
Der Vorstand des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft stellt fest, dass ethisch verantwortungsvolles Verhalten eine Schlüsselkompetenz für gute Unternehmensführung ist. Er erwartet von seinen Mitgliedern, dass sie die Beseitigung der in einer fundierten ethischen Reflexion der eigenen Lehr- und Forschungsinhalte erkannten Defizite fördern. Dazu ist der Verband diesbezüglich in den vergangenen Jahren bereits in vielfältiger Weise, z.B. durch Arbeitsgruppen und Arbeitstagungen, aktiv gewesen und wird das auch weiterhin sein, jüngst auch durch die Institutionalisierung der Auseinandersetzung mit ethischen Fragen in der Wissenschaftlichen Kommission Wissenschaftstheorie und Ethik in der Wirtschaftswissenschaft.
Beurteilung der PRME
Der Vorstand des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft sieht die PRME als geeigneten Ansatzpunkt für die zukünftige Weiterentwicklung der Rolle unternehmens- und wirtschaftsethischer Themen in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Forschung. Allerdings ist er nicht der Meinung, dass hierzu jede Fakultät in einschlägiger Forschung aktiv sein muss und er sieht die Gefahr der Bürokratisierung des ihm inhaltlich sehr wichtigen Themas durch pauschale Berichtspflichten für alle Beteiligten. Angesichts seiner tiefen Überzeugung, dass wissenschaftlicher Fortschritt auch auf diesem Gebiet von einem Wettstreit der Ideen und Konzepte profitiert, sieht der Vorstand seine Aufgabe nicht darin, stellvertretend für seine (persönlichen!) Mitglieder und deren Fakultäten seine Mitwirkung zu erklären, sondern belässt dies in deren Verantwortung. Unbeschadet dessen wird der Vorstand auch weiterhin Aktivitäten zur Behandlung unternehmens- und wirtschaftsethischer Themen unterstützen und ihnen Raum im Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft geben. Der Vorstand regt überdies die Fakultäten an, ihre Ideen und deren Umsetzung untereinander auszutauschen.
Handlungsmöglichkeiten
Die Integration ethischer Kompetenzen in die betriebswirtschaftliche Lehre und Forschung kann und sollte in ganz unterschiedlicher Weise geschehen. Hierzu einige Beispiele:
- In vielen Lehrveranstaltungen unterschiedlicher betriebswirtschaftlicher Fächer bietet es sich an, die Studierenden stärker als bisher für ethische Themen zu sensibilisieren, speziell für Dilemmasituationen, in denen die aus ethischer Sicht gebotenen Entscheidungen bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise nachteilig erscheinen.
- In einigen Fakultäten kann es sinnvoll sein, Ethik und Wissenschaftstheorie in die Curricula zu integrieren, die Schwerpunktsetzung der betriebswirtschaftlichen Ausbildung anzupassen und beispielsweise Themen wie der Corporate Social Responsibility breiteren Raum zu geben.
- Die unternehmens- und wirtschaftsethische Kompetenz des wissenschaftlichen Nachwuchses kann mit der Integration entsprechender Inhalte in die allgemeine Doktorandenausbildung und durch Doktorandenprogramme, die derartige Themen sogar als Schwerpunkt haben, gefördert werden.
- Für die theoretische und empirische Forschung bieten sich z.B. Analysen zum Zusammenhang zwischen ethischem Verhalten und dem Karriere- bzw. Unternehmenserfolg sowie zu den Risiken an, die durch die Missachtung ethischer Prinzipien entstehen.
- Je nach Situation kann sich mancherorts der Import benötigter Kompetenzen aus anderen Disziplinen anbieten, um das originär philosophische Gebiet der Ethik auf einem angemessenen wissenschaftlichen Niveau zu behandeln. Der Gefahr, dass fachfremde Dozenten nicht hinreichend mit den Inhalten unseres Faches vertraut wären und ihre Beiträge daher unverbunden neben den betriebswirtschaftlichen Lehrinhalten stünden, kann andernorts mit der Besetzung einschlägiger Lehrstühle an wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten entgegen gewirkt werden.
Die Kreativität aller Beteiligten wird viele weitere sinnvolle Handlungsmöglichkeiten entdecken. Der VHB ermutigt seine Mitglieder, sich an derartigen Aktivitäten zu beteiligen.
The Principles for Responsible Management Education
http://www.unprme.org/the-6-principles/index.php
Prof. Dr. Dr. h. c. Alfred Wagenhofer
Vorsitzender des Vorstandes des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V.
Prof. Dr. Caren Sureth
Stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V.