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Lohnt sich Nachhaltigkeit für Unternehmen?

VHB expert Sebastian A. Tideman über unternehmerische Nachhaltigkeitsinvestitionen

Ein gängiges Argument nicht nur in wissenschaftlichen Debatten lautet, dass Unternehmen nachhaltiger sein sollten, da es sich für diese finanziell „lohnt“. Aber lohnt es sich umso mehr, je nachhaltiger Unternehmen sich aufstellen? VHB expert Sebastian A. Tideman (Syracuse University, USA) erklärt, warum „je mehr Nachhaltigkeit, desto besser” zu kurz greift und zeigt auf, wann und warum sich die Investition in Nachhaltigkeit für Unternehmen auszahlt.

Die Beziehung zwischen nicht-finanzieller und finanzieller Performance: eine „Win-Win-Situation“?
Sowohl Grenzkosten, als auch der Grenznutzen von Nachhaltigkeitsinvestitionen sind aus Unternehmenssicht mutmaßlich nicht-linear. Den Ressourcenverbrauch um 10 % zu reduzieren dürfte nicht nur absolut, sondern auch relativ deutlich günstiger sein als eine Einsparung um 70 %. Dahingegen dürfte der Grenznutzen nicht unbegrenzt steigen und erst recht nicht steigende Grenzkosten kompensieren. Bestimmte Kundengruppen dürften etwa bereit sein, eine Prämie für ein nachhaltiges Produkt zu zahlen – allerdings in Maßen. Auch jüngste Studienergebnisse legen nahe, dass es notwendig ist, Grenzkosten und Grenznutzen abzuwägen, um nicht zu wenig oder zu viel in Nachhaltigkeit zu investieren.

Kapitalmärkte fragen verstärkt nach nicht-finanziellen Kennzahlen
Unternehmen haben es zunehmend schwer, das Thema Nachhaltigkeit jenseits der bevorstehenden erweiterten Berichtspflichten durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) in ihrer Kommunikation mit den Kapitalmärkten zu ignorieren. Dies wird insbesondere anhand von Earnings Conference Calls deutlich. Die Calls werden typischerweise quartalsweise von kapitalmarktorientierten Unternehmen angeboten. In ihnen stellt sich der Vorstand Fragen von Finanzanalysten. Wurden bis vor wenigen Jahren nur in Ausnahmefällen (oder industriespezifisch, wie etwa in der Energiebranche) nachhaltigkeitsbezogene Fragen gestellt, fragen Analysten zunehmend nach messbaren Nachhaltigkeitsperformance-Elementen und Implikationen für den finanziellen Unternehmenserfolg.

Nachhaltigkeit wird zunehmend politisch kritisiert
Erschwert werden das unternehmerische Nachhaltigkeitsengagement und die zugehörige Unternehmenskommunikation von einer, nicht nur in den USA zu beobachtenden, zunehmenden politischen Kritik an Nachhaltigkeit. Normative Kritik wird nun vermehrt im Rahmen eines politischen Lagerdenkens geäußert: Nachhaltigkeit diene der Etablierung von „linksgerichteten“ oder „woke values“, wie es etwa republikanische Gouverneure formuliert haben. Dabei ist Nachhaltigkeit vor allem eins: die ganzheitliche Betrachtung von internen und externen Faktoren, die nicht zwingend monetär messbar sein müssen (zum Beispiel CO2-Emissionen und Klimawandel), aber dennoch den langfristigen Unternehmenserfolg und Unternehmensfortbestand maßgeblich beeinflussen können. Dabei müssen auch die indirekten und langfristigen Effekte auf den Unternehmenserfolg in der Kapitalmarktkommunikation berücksichtigt werden.

 

Quelle: Kerstin Lopatta, Felix Canitz & Sebastian Andreas Tideman (2022) Abnormal CSR and Financial Performance, European Accounting Review, DOI: 10.1080/09638180.2022.2084134

Foto: Kindel Media auf pexels.com