Der Gender Pay Gap ist weiterhin zum großen Teil ein Pflege- und Fürsorge-Gap
VHB expert Patrizia Kokot-Blamey zur Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen
Frauen kümmern sich weiterhin mehr um andere
Ein Großteil des Gender Pay Gap ist durch den Gender Care Gap begründbar. Dies geht aus dem Vergleich zwischen unbereinigtem (18%) und bereinigtem Gender Gap (7%) hervor. Letzterer bezieht Faktoren wie zum Beispiel Beschäftigungsumfang, Qualifikationen und Erfahrung mit ein. Frauen kümmern sich im Durchschnitt 50 Prozent mehr um Kleinkinder und um alle anderen, die pflegebedürftig sind. Der Care Gap erinnert vor allem daran, dass Männer trotz des Umschwungs in der deutschen Familienpolitik zu „gender-neutralen“ Maßnahmen, beispielsweise dem Elterngeld Plus, weiterhin von der Verantwortung der alltäglichen Sorge um Haushalt, Kleinkinder und Pflegebedürftige befreit bleiben. In der Kinderbetreuung zum Beispiel wurde in den letzten Jahren nur ein kleiner Anstieg des Väteranteils ermittelt.
Fremdbetreuung ist eine Verschiebung des Problems
Viele sehen eine mögliche Lösung in der stärkeren Vollzeit-Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt. Mehr Pflege- und Betreuungsbedürftige, zum Beispiel Kleinkinder, bis zu Vollzeit in Fremdbetreuung zu geben, kann sich jedoch zum einen negativ auf deren Stresslevel auswirken – dies bestätigt eine aktuelle Studie aus Norwegen. Zum anderen bedeutet die Verschiebung der Care-Arbeit hin zu (schlechter bezahlten) Frauen, dass diese ihre eigenen Kinder zurücklassen. Dies verstärkt strukturelle gesellschaftliche Ungleichheiten.
Frauen müssen nicht mehr Lohn-Arbeit, aber Männer mehr Care-Arbeit leisten
Hochwertige Fremdbetreuung ist eine wichtige Unterstützung des Familienlebens in einer funktionierenden Sozialdemokratie. Dennoch sollte eine Austauschbeziehung zwischen der Erwerbstätigenquote und dem Wohlbefinden von vor allem Kleinkindern politisch anerkannt werden. Der Fokus in der Debatte um den Gender Pay Gap sollte nicht primär auf der Erwerbstätigenquote und den Arbeitsstunden der Frauen liegen, sondern auf der weiterhin unzeitgemäßen Zurückhaltung von Männern im Hinblick auf Sorge-Arbeit.
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Quellen:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_036_621.html
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap?view=
Nystad, K.; Drugli, M.B.; Lydersen, S.; Lekhal, R. & E. Solheim Buøen (2022) Change in toddlers’ cortisol activity during a year in childcare. Associations with childcare quality, child temperament, well-being and maternal education. Stress, 25:1, 156-165, DOI: 10.1080/10253890.2022.2048371
Foto: Bruno figueiredo auf Unsplash.com