Verantwortlicher Umgang mit VHB-JOURQUAL3

 

Mit dem vom Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) bereitgestellten Zeitschriftenrating VHB-JOURQUAL ist es, dem Wunsch vieler Verbandsmitglieder entsprechend, nun bereits seit vielen Jahren möglich, die Reputation von BWL-Zeitschriften abzuschätzen, vor allem auch von solchen Zeitschriften, die nicht in anderen verfügbaren Ratings oder Rankings enthalten sind. Auf diese Weise sollen die Möglichkeiten einer Beurteilung der Qualität von Zeitschriften verbessert werden. VHB-JOURQUAL erhöht damit die Transparenz und verbessert die Orientierung.

Dies war auch Anlass für einen erheblichen Teil unserer Verbandsmitglieder, die Kollegen Thorsten Hennig-Thurau und Henrik Sattler sowie den VHB-Vorstand zu bitten, eine erneute Vollerhebung VHB-JOURQUAL3 durchzuführen, und zwar auf Basis einer im Diskurs mit den Verbandsmitgliedern grundlegend weiterentwickelten Methodik. Um diesen Diskurs mit den Verbandsmitgliedern so transparent und nachvollziehbar wie möglich zu gestalten, wurden Fragen und Argumente gesammelt und sowohl vor, als auch nach der Durchführung von VHB-JOURQUAL3 auf diesen Seiten zur Verfügung gestellt.

In VHB-JOURQUAL3 wird die wissenschaftliche Qualität einer Zeitschrift als das Ausmaß definiert, in dem die betreffende Zeitschrift die BWL als wissenschaftliche Disziplin voranbringt. Es handelt sich um ein subjektives Gesamturteil, das sich bei jedem Befragten naturgemäß aus unterschiedlichen Informationen und Erfahrungen zusammensetzt (z.B. eigene Erfahrungen als Autor, gelesene Artikel, Erlebnisse bei Reviewprozessen, Gespräche mit Kollegen, etc.). Über alle Befragte aggregiert drückt es die Wahrnehmung der wissenschaftlichen Qualität der Zeitschrift in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Community aus. Das jeweilige Rating wird dabei aus dem Median der Einzelurteile abgeleitet. VHB-JOURQUAL3 liefert damit eine Information über die zusammengefasste Einschätzung der VHB-Mitglieder.

Vor diesem Hintergrund möchte ich gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des VHB-Vorstands noch einmal die Wichtigkeit eines verantwortlichen und reflektierten Umgangs mit solchen Ratings betonen.

Das Rating ist in erster Linie als Orientierungshilfe für eigene Aufsatzeinreichungen gedacht. Gerade für Nachwuchswissenschaftler/innen ist es wichtig zu wissen, welche Reputation mit einer Publikation in einem bestimmten Journal aus Sicht der Scientific Community verbunden ist. Vorsicht ist geboten, wenn es als Maßstab zur Leistungsbewertung herangezogen wird, insbesondere wenn die Untersuchungseinheiten einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind.

Jegliche Evaluation von Forschungsleistungen, die sich auf eine simple, nach Ratingwerten gewichteten Addition der Summe von Aufsätzen beschränkt, ist problematisch. Es ist wichtig zu verstehen, warum dies so ist. Zu den wichtigsten Problemen zählen:

  • Das Streuungsproblem: Die Reputation einer Zeitschrift bildet sich langfristig aus der Qualität der in ihr publizierten Aufsätze. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass alle in ihr erschienenen Aufsätze gleich gut sind. Ihre Qualität ist vielmehr großen Schwankungen unterworfen: es gibt sowohl bahnbrechende Aufsätze, die in Zeitschriften mit geringer Reputation erschienen sind, als auch schwache Aufsätze ohne jeden Einfluss in Spitzenzeitschriften. Im Mittel ist es natürlich umgekehrt. Die Reputation einer Zeitschrift ist ein (fehlerbehafteter) Indikator für die Qualität des Aufsatzes – nicht mehr und nicht weniger.
  • Das Unvollständigkeitsproblem: Das Rating bezieht sich ausschließlich auf Publikationen in Zeitschriften. Ein anderer Teil betriebswirtschaftlicher Forschung wird in anderen Medien publiziert, etwa in Monografien, oder zeigt sich in der Entwicklung von Prototypen. Diese Forschungsleistungen werden durch VHB-JOURQUAL nicht erfasst und somit auch nicht bewertet.
  • Das Opportunismusproblem: Immer dann, wenn Leistungsbeurteilungen aufgrund von wenigen Kennzahlen vorgenommen werden, entsteht das Problem, dass dies von den Beurteilten antizipiert wird. In einer solchen Situation ist es rational, nur die Kennzahl zu optimieren. Hängt diese mit dem tatsächlich gemeinten Leistungsziel nur korrelativ zusammen, können massive Fehlentwicklungen die Folge sein. Die wissenschaftliche Suche nach relevanten und innovativen Erkenntnissen ist komplex, die Bewertungen von Forschungsleistungen – so wichtig sie ist – stets fehlerbehaftet und vorläufig. Wissenschaftler, die sich statt auf das Erkenntnisziel nur auf Publikationserfolge konzentrieren, können versucht sein, das eine zu Lasten des anderen zu erreichen. Salamipublikationen, „Deals“ und alle möglichen Formen der legalen und illegalen Ausnutzung von opportunistischen Spielräumen können die Folge sein.

VHB-JOURQUAL3 ersetzt also keinesfalls das differenzierte Bild, das sich jeder Kollege und jede Kollegin bei der Beurteilung von Publikationsleistungen machen sollte. Um die Originalität und Relevanz der Fragestellung, die Fundiertheit und argumentativer Stringenz des Theoriebeitrags und den methodischem Rigor in Anlage und Ausführung von Modellbildung und/oder Empirie beurteilen zu können, muss man einen Aufsatz tatsächlich lesen – dies war und ist unverändert so.

Schließlich ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass die akademische Forschung stets nur ein Teilbereich der umfangreichen Aufgaben von Hochschullehrerinnen und -lehrern ist. Andere Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wie z. B. Lehre, Dienstleistungen in Selbstverwaltung und für die Gemeinschaft der Forschenden sind natürlich ebenfalls wichtig. Aus diesen Gründen hat sich der Vorstand des VHB bewusst und wiederholt gegen ein Personenranking auf der Basis von Zeitschriftenratings ausgesprochen. Diese Haltung besteht unverändert und die zugehörige Stellungnahme kann hier abgerufen werden.

Ausführliche Gedanken und Überlegungen zum Umgang mit Ratings finden Sie außerdem in den Hinweisen zur guten fachlichen Praxis (GfP). Wir laden Sie ein, neue Gedanken und Argumente, aber auch Fragen zum Umgang mit Ratings bzw. Rankings in die Diskussion zur Weiterentwicklung dieses und anderer GfP einzubringen.

 

Für den VHB-Vorstand


Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger

Prof. Dr. Birgitta Wolff

 

Für den JOURQUAL-Beirat


Prof. Dr. Harald Dyckhoff

Prof. Dr. Nikolaus Franke

Prof. Dr. Georg Schreyögg