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Steht eine Kündigungswelle von Bankkonten bevor?

VHB expert Christian Koziol über aktuelle Entwicklungen im Negativzinsumfeld aus Sicht der BWL

Dem Margendruck im Negativzinsumfeld begegnen viele Banken mit der Bitte an ihre Kundschaft um Zustimmung u.a. zu negativen Zinsen. Wird diese verweigert, bleibt den Banken nur die Zwangsbeendigung dieser Konten, um eine für Kontoinhaberinnen und -inhaber zwar kostenlose, für die Banken jedoch teure Geldaufbewahrung zu vermeiden. Prof. Dr. Christian Koziol, Inhaber des Lehrstuhls für Finance an der Eberhard Karls Universität Tübingen, ordnet die gegenwärtige Lage ein und macht Lösungsvorschläge.

Zinsumfeld belastet Banken
Die Kreditinstitute befinden sich seit Jahren in einer Zinsfalle: Marktgerechte Anlagen kurzfristiger Gelder werden bis heute mit negativen Zinssätzen belegt, die laut BGB für Konten aber nicht vorgesehen sind. Dadurch entfällt die traditionelle Bankpraxis der Anpassung der Kontoverzinsung an das Marktumfeld. Wie in verschiedenen Gerichtsurteilen bestätigt, scheint als Ausweg nur eine explizite Zustimmung zu Verwahrentgelten durch die Kontoinhaberinnen und -inhaber zu bleiben. Bleibt diese aus, kann es, wie bereits mehrfach passiert, zu Kündigungen durch die Kreditinstitute kommen.

Analyse der Entscheidungen
Spieltheoretisch liegt hier ein 3-stufiges Spiel vor. Zuerst bittet die Bank um Zustimmung zu den Negativzinsen. Dann treffen Kundinnen und Kunden eine Entscheidung, und schließlich überlegt sich die Bank, wie damit umzugehen ist. Es scheint keine optimale Reaktion bei Ablehnung zu geben: Die Kündigung erspart der Bank zwar die aktuell noch teure Zinssubvention, geht aber mit einem Reputationsschaden und einem Verlust an möglichen weiteren Kundengeschäften einher. Ohne eine glaubwürdige „Strafe“ jedoch wird die Kundschaft kaum eine Konditionsverschlechterung akzeptieren. Dieses Dilemma macht andere Wege überlegenswert.

Lösungsmöglichkeiten
Gesamtwirtschaftlich erstrebenswert ist eine Vermeidung von Bankwechseln und der damit verbundenen Kosten. Deshalb sollten die Banken ihre Kundschaft für sich gewinnen, indem die aktuell sehr unübersichtlichen Änderungen verständlich aufgezeigt und begründet werden. Ebenso sollte das Schreckgespenst der Negativzinsen automatisch ausgeschlossen werden, sobald die Marktbedingungen dies nicht mehr erfordern. Die bevorstehenden Zinserhöhungen reduzieren den Druck auf die Banken und machen solche kooperativen Lösungen wahrscheinlicher.

 

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Foto: Vanessa Lee auf Unsplash.com