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Nachhaltigkeit: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

VHB expert Klaus Fichter zur Bedeutung von Innovation, Exnovation und nachhaltigem Unternehmertum für eine zukunftsfähige, „enkeltaugliche“ Wirtschaft

Heute geben sich alle Unternehmen grün und sind für Klimaschutz. Da ist viel Greenwashing im Spiel. Die Wahrheit ist, dass viele Großunternehmen und Marktführer nach wie vor an umweltschädlichen Geschäftsmodellen gut verdienen. Das gilt nicht nur für die Erdöl- und Erdgasindustrie, sondern auch für viele Investoren. Klaus Fichter, Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Universität Oldenburg und Leiter des Borderstep Instituts, prognostiziert: Die industriellen Dinosaurier werden die klimabedingten „Meteoriteneinschläge“ in ihren Märkten nicht überleben. Wer den Um- und Ausstieg verschläft, den bestraft das Leben! Er zeigt, wie mit Nachhaltigkeitsinnovation und Sustainable Entrepreneurship ein schneller Umbau zu einer zugleich enkeltauglichen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsweise gelingen kann.

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Grüne Start-ups sind die radikalen Marktveränderer

Berechnungen des Weltklimarats und von Scientists for Future belegen: Um die globalen Netto-Emissionen innerhalb von 20 bis 30 Jahren auf Null zu senken, ist ein schneller und radikaler Umbau der Energie-, Mobilitäts- und Ernährungsversorgungssysteme nötig. Hierfür werden innovative umweltentlastende Produkte und Dienstleistungen gebraucht. Die Innovationsforschung zeigt, dass rund zwei Drittel aller grundlegend neuen, nachhaltigen Marktangebote von Start-ups eingeführt werden. Grüne Start-ups sind damit die radikalen Marktveränderer. Sie liefern eine doppelte Dividende: eine ökonomische (Jobs, Steuern, Gewinne) und eine ökologisch-gesellschaftliche (CO2-Minderung, Ressourceneinsparung usw.) und lösen die Anforderungen und Chancen eines Sustainable Entrepreneurship ein. Es sollte daher nur noch gefördert werden, wer ein „business model for sustainability“ hat!

Diffusion ist der Schlüssel

In der Forschung zu Transformation und Wandel wird zwischen Innovation (etwas Neuartiges erfolgreich umsetzen oder am Markt einführen) und Diffusion (die Neuerung in die Breite tragen) unterschieden. Forschungsergebnisse der letzten zehn Jahre zeigen, dass das eigentliche Problem nicht der Mangel an nachhaltigen Lösungen (Innovationen) ist. Es hapert an der Diffusion, also der Weiterverbreitung dieser Lösungen. Die vom FDP-Vorsitzenden Christian Lindner mit dem Vorschlag für eine „Innovation Nation“ zum Ausdruck gebrachte Hoffnung, dass es deutscher Erfindungsgeist und die Förderung von Innovation richten werden, wird von den Ergebnissen der Transformationsforschung nicht gestützt. Es kommt in Zukunft in erster Linie auf wirksame staatliche Diffusionsstrategien und klare zeitliche Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele für einzelne Sektoren an.

Die Kraft der schöpferischen Zerstörung: Keine Transformation ohne Exnovation

Bereits vor fast 100 Jahren hat der österreichisch-deutsche Ökonom Joseph Alois Schumpeter die Idee der „schöpferischen Zerstörung“ eingeführt. Bemerkenswerterweise wird die Idee der schöpferischen Zerstörung allerdings bislang fast ausschließlich von der Innovationsseite, dem Schöpferischen, her wahrgenommen. Jüngere Untersuchungen zeigen, dass Diffusion nur eine Chance hat, wenn zeitgleich gezielte Exit-Strategien, z.B. für Ölheizungen und Verbrennungsmotor, verfolgt werden. Der Ausstieg aus nicht-nachhaltigen Technologien und Praktiken (Exnovation) muss daher in Zukunft in der Politik, aber auch in den Unternehmensstrategien stärkere Beachtung finden. Letzteres z.B. durch Geschäftsmodelle, die es Business- und Endkunden erleichtern, schnell umzusteigen und alte „Gewohnheiten“ hinter sich zu lassen. Um nachhaltige Konsum- und Produktions-stile zu etablieren, könnte eine neue Kategorie von nachhaltigen Geschäftsmodellen greifen: CDAAS – „Creative destruction as a service“.

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Foto: Andy Beales auf Unsplash