Zirkuläre Geschäftsmodelle

Von der Weltumseglung zu nachhaltigen Innovationen über Unternehmensgrenzen hinweg

Katharina Spraul, Technische Universität Kaiserslautern

Die Circular Economy (CE), eine Wirtschaft in Kreisläufen, welche die planetaren Grenzen einhält, erscheint derzeit noch als Utopie. Verwirklicht werden kann sie durch ein systemisches Zusammenwirken von zirkulären Geschäftsmodellen, regulatorischem Rahmen und Gesellschaft. Damit eröffnet sich für die Betriebswirtschaftslehre (BWL) ein zukunftsträchtiges Betätigungsfeld.

Die Weltumseglung in 71 Tagen hat Ellen MacArthur einen Weltrekord und den britischen Adelsstand (mit nur 28 Jahren) verschafft – und der BWL ein neues Forschungsfeld. Ihre hautnahen Erfahrungen allein auf dem Meer motivierten sie 2010 zur Gründung der gemeinnützigen Ellen MacArthur-Foundation (EMF). Weil ihr die Begrenztheit der Ressourcen und ihre gleichzeitige globale Ausbeutung bewusst wurden, hat die EMF zur Mission, die Transformation der Wirtschaft zu einer CE zu beschleunigen. Die von der EMF veröffentlichten Konzepte zur Abfall- und Ressourcenbewirtschaftung in Kreisläufen in Imitation der Natur haben die CE erfolgreich als Rahmenkonzept in Wissenschaft und Wirtschaft etabliert.

Nachhaltiges Wirtschaften ist ein uraltes Prinzip. Die Historikerin Annette Kehnel nennt die Wegwerfgesellschaft ein „kurzfristiges Ausnahmephänomen“ der Menschheitsgeschichte. Entsprechend fehlte bis ins 20. Jahrhundert das Wort Abfall im heutigen Verständnis in deutschen Wörterbüchern. Nach Jahrzehnten des Wegwerfens sind nun neue Ideen gefragt. So entwickelte die Ökonomin Kate Raworth 2018 die „Donut Ökonomie“ – ein „Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört“ und das gesellschaftliche Fundament wahrt. Da die CE den Wohlstand vom Ressourcenverbrauch entkoppeln kann, erscheint sie der Europäischen Kommission als zentral für den europäischen Grünen Deal und das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050. Im Rahmenwerk Agenda 2030 der UN versinnbildlicht die Möbius-Schleife das nachhaltige Entwicklungsziel 12 „nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster“ und postuliert die Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und -verwendung von Abfall.

Die praktische Umsetzung von CE erfordert neue Geschäftsmodelle, welche ökonomische Wertschöpfung für die Unternehmen mit Wert für die Kunden und Ressourcenerhaltung verbinden: zirkuläre Geschäftsmodelle. Herkömmliche Geschäftsmodelle sind der breiten Öffentlichkeit am ehesten aus TV-Gründershows bekannt, wenn mögliche Investoren nach dem Business Plan fragen. Zirkuläre Geschäftsmodelle verzeichnen seit 2016 einen sprunghaften Anstieg an Veröffentlichungen.1 Auch wenn viele ihrer mannigfaltigen Ansätze in isolierter Form bereits bekannt sind, bspw. der Verzicht auf geplante Obsoleszenz bei Elektrogeräten, das Vorhalten von Ersatzteilen für Reparaturen, Pfandsysteme und Sharing,2 ist ihre Kombination als zirkuläre Geschäftsmodellinnovation ein erfolgsversprechender Ansatz auch in bislang linear wirtschaftenden Unternehmen.

Ein Unternehmen mit dem zirkulären Geschäftsmodell, in Schwellenländern durch chemisches Recycling aus Kunststoffabfällen ein Ausgangsmaterial für neue Verpackungen herzustellen, steht vor einer komplexen Herausforderung: die Zusammenarbeit mit privaten Müllsammlern ausgestalten, technische Sortierung und Pyrolyse bewerkstelligen und eine digitale Beweiskette, etwa über Blockchain, für die Herkunft des Sekundärkunststoffs gegenüber Kunden vorlegen. Einem Sozialunternehmen, das aus Meeresplastik Produkte erzeugt, stellt sich die Frage, welcher Partner welchen Wertanteil erhält: die Fischer, Nonprofit-Organisationen vor Ort, die Weiterverarbeiter, die Händler? In diesen Beispielen kombinieren zirkuläre Geschäftsmodelle eigen- und gemeinwirtschaftliche Denkweisen mit regionaler und globaler Wirkungskraft. Und nicht zuletzt: Zirkulär ist nicht automatisch nachhaltig – ob der Bäcker sein unverkauftes Brot „thermisch verwertet“ oder besser zu Bier verarbeitet und damit einen Teil des Braumalzes ersetzt, erfordert eine Lebenszyklusbetrachtung – und viele weitere Fragen bleiben noch offen.3

Katharina Spraul, Technische Universität Kaiserslautern

Quellenangaben:

Ferasso, M, Beliaeva, T, Kraus, S, Clauss, T, Ribeiro-Soriano, D. (2020), Circular economy business models: The state of research and avenues ahead. Business Strategy and the Environment. 29: 3006-3024. https://doi.org/10.1002/bse.2554

Lüdeke-Freund, F., Gold, S., & Bocken, N.M. (2018). A review and typology of circular economy business model patterns. Journal of Industrial Ecology, 17(1), 217. https://doi.org/10.1111/jiec.12763

Hofstetter, J. S., Marchi, V. D., Sarkis, J., Govindan, K., Klassen, R., Ometto, A. R., Spraul, K. S., Bocken, N., Ashton, W. S., Sharma, S., Jaeger-Erben, M., Jensen, C., Dewick, P., Schröder, P., Sinkovics, N., Ibrahim, S. E., Fiske, L., Goerzen, A., & Vazquez-Brust, D. (2021). From sustainable global value chains to circular economy—different silos, different perspectives, but many opportunities to build bridges. Circular Economy and Sustainability. Advance online publication. https://doi.org/10.1007/s43615-021-00015-2